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■ Wirklich frei wird ein Kurdistan unter Öcalan nicht seinEine kurdische Entscheidung

Ein Großmaul bittet zur Audienz, und alle, alle kommen. Kein Mikrofon darf fehlen, wenn Abdullah Öcalan in die Welt posaunt, was jeder andere Verbrecher tunlichst für sich behält: Mordpläne, gezielte Terrorvorbereitungen, fehlt nur noch die genaue Orts- und Zeitangabe. Da schauert's so ansteckend über die Titelseiten, daß Außenminister Kinkel persönliche Morddrohungen – gegen die kein Politiker gefeit ist – zur Schlagzeile hochplaudern muß. PKK-Despot Öcalan hat sein Ziel erreicht: Deutschland zittert.

Daß Öcalan Terror und Politik zur unheiligen Allianz geschmiedet hat, darüber besteht seit Jahren kein Zweifel. Auch daß die PKK keine Skrupel hat, angedrohte Gewaltakte tatsächlich durchzuführen, hat sie bewiesen. Abtrünnige Gefolgsleute und sonnenhungrige Türkeiurlauber sind Kronzeugen dafür. Doch bei aller Aufgeregtheit bleibt die Frage, ob der jüngste Auftritt des PKK-Chefs nicht eher dem Drohgehabe eines bedrängten Köters gleicht, der mit Gekläff gehörig Furcht erweckt, damit er um so kräftiger belohnt wird, wenn er dann Pfötchen gibt.

Nur eines ist bisher gewiß: Seinen Landsleuten in Deutschland, zu deren politischem Alleinvertreter er sich gerne kürt, hat Öcalan den schlechtesten aller möglichen Dienste erwiesen. Doch seine decouvrierende Großmäuligkeit könnte auch einen längst überfälligen Prozeß in Gang setzen: Nach Jahren der stillschweigenden Duldung müssen kurdische Gruppen jetzt endgültig den Deckmantel der gemeinsamen kurdischen Sache zertrennen, der bisher alle politischen Differenzen mit der PKK zukleisterte.

Eine Partei, deren Anführer – nicht zufällig in zeitlicher Analogie zu Israel – mit Selbstmordattentaten droht, erklärt sich bewußt zum Bruder im Geiste der Wahnideologie von Hamas und Dschihad. Eine solche Partei hat nicht einmal die Märtyrerrolle verdient, in die ihre Anhänger gerne schlüpfen, wenn die deutsche Polizei gegen sie vorgeht. Das schon obligatorische Gerangel um verbotene PKK-Fahnen bei Kurdendemonstrationen ist kein bloßes Katz-und-Maus- Spiel zwischen aufrechten „Freiheitskämpfern“ und „faschistischer deutscher Staatsmacht“ mehr. Ob und wie die PKK hierzulande agieren kann, darf nicht die deutsche Obrigkeit allein entscheiden.

Für die Kurden ist es eine Auseinandersetzung über die Zukunft ihres eigenen Landes. Wer Öcalans Politik weiter treiben läßt, wird vielleicht irgendwann ein „freies“ Kurdistan haben. Aber dieses Land wird keines sein, in dem es sich frei leben läßt. Vera Gaserow

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