: Wird Mykonos-Prozeß ausgesetzt?
■ Neuer Verteidiger kündigt entsprechenden Antrag an
Der Prozeß um die Ermordung von vier iranischen Oppositionellen im Berliner Restaurant „Mykonos“ wird möglicherweise völlig neu aufgerollt. Der gestern hinzugekommene Wahlverteidiger des Angeklagten Youssef Amin, der Berliner Rechtsanwalt Rüdiger Portius, kündigte einen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens an. In dem Prozeß, bei dem es auch um die Frage von möglichem iranischen Staatsterrorismus geht, müssen sich fünf Männer wegen des Attentats vom 17. September 1992 verantworten.
Der wegen eines früheren Geständnisses zunächst als „Kronzeuge“ eingestufte 26jährige Amin hatte seit Beginn des Prozesses den Austausch der beiden Pflichtverteidiger gefordert, weil er kein Vertrauen zu ihnen habe. Dies wurde bislang vom Vorsitzenden Richter Frithjof Kubsch abgelehnt. Amin hatte daraufhin Portius gebeten, seine Verteidigung zu übernehmen. Der Rechtsanwalt, der gestern zunächst als Wahlverteidiger teilnahm, will nun die Abberufung der beiden bisherigen Verteidiger durchsetzen und anschließend selbst die Pflichtverteidigung übernehmen.
Eine Aussetzung oder Unterbrechung des Prozesses würde bei einem Austausch der kompletten Verteidigung nach gängiger Rechtspraxis notwendig, damit sich die neue Rechtsvertretung in die Thematik einarbeiten kann. Da ein Prozeß dem deutschen Recht zufolge aber nur für wenige Wochen unterbrochen werden darf, forderte Portius eine Aussetzung, um sich bis Ende Dezember in die rund 100 Aktenordner umfassenden Protokolle einarbeiten zu können. Das würde bedeuten, daß die Verhandlung komplett neu beginnen und alle bisherigen Vernehmungen wiederholt werden müßten. Bei einer Unterbrechung würde der Prozeß nach einer Pause wie vorgesehen weitergehen. Der Antrag von Portius sollte noch gestern nachmittag offiziell in der Verhandlung gestellt werden. Eine Entscheidung wird für kommende Woche erwartet. dpa
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