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Wird Bayern wirklich ausgebeutet?

Beim Streit um den Länderfinanzausgleich spielen die reichen Länder mit gezinkten Karten. Ihre angeblichen Nachteile sind mühsam konstruiert. Überproportional belastet wird bei der Lastenverteilung allein der Bund  ■ Von Christian Rath

Freiburg (taz) – Wenn's zu kompliziert wird, dann greifen PolitikerInnen gern zu populistischen Kraftausdrücken. So auch bei der Debatte um den Länderfinanzausgleich. Bayern und Baden-Württemberg würden von den armen Ländern „ausgebeutet“, behaupteten etwa die Finanzminister von Bayern und Baden-Württemberg, Erwin Huber (CSU) und Gerhard Mayer-Vorfelder (CDU). Im Gegenzug warf die saarländische Finanzministerin Christiane Krajewski (SPD) den reichen Südländern „föderalen Kannibalismus“ vor. Und Berlins Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) nannte den bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber gar einen „Voralpen-Milošević“.

Gestern abend in der Finanzministerkonferenz wollten sich die KontrahentInnen allerdings ganz sachlich über eine Reform des Länderfinanzausgleichs unterhalten. Die starken Länder, zu denen auch Hessen und Nordrhein-Westfalen gehören, wollten zumindest eine Arbeitsgruppe einsetzen, die politische Lösungen erarbeiten soll. Bayern und Baden-Württemberg drohen darüber hinaus schon seit einiger Zeit mit einer Klage beim Bundesverfassungsgericht. Diese jedoch verspricht keinerlei Aussicht auf Erfolg, wie inzwischen auch die hessische Landesregierung eingesehen hat. Nordrhein-Westfalen lehnt eine Klage aus grundsätzlichen Erwägungen ab.

Das auf den ersten Blick beste Argument der starken Länder ist die Finanzkraftrangliste. Bayern und Baden-Württemberg kritisieren, daß sie vor dem Finanzausgleich auf den Plätzen 3 und 4 liegen, nach Abschluß aller Ausgleichsoperationen aber ganz am Ende. Doch werden hier „Äpfel mit Birnen verglichen“, wie Bremens Finanzsenator Hartwig Perschau (CDU) zu Recht bemerkte. Nach dem horizontalen Ausgleich unter den Ländern (Volumen: rund 12 Milliarden Mark) bleibt die Rangfolge der Gliedstaaten nämlich unverändert erhalten. Es verringert sich lediglich der Abstand zwischen reichen und armen Ländern, und das ist ja der Sinn der Übung. Selbst die Ost-Länder sowie Bremen und das Saarland werden dabei auf 95 Prozent der durchschnittlichen Länderfinanzkraft gehoben.

Nun kommt der Bund ins Spiel und zahlt allen unterdurchschnittlich ausgestatteten Ländern soviel dazu, daß sie am Ende 99,5 Prozent des Bundesdurchschnitts erreichen. Diese „Finanzkraft-Ergänzungszuweisungen“ (Höhe: insgesamt 5 Milliarden Mark) kosten die reichen Länder jedoch keinen Pfennig, auch die Rangfolge bleibt unverändert – nur der Abstand verringert sich weiter.

Die Rangfolge ändert sich erst durch die „Sonder-Ergänzungszuweisungen“ des Bundes. Diese werden für besondere Belastungen der neuen Länder (14 Milliarden Mark), armer Westländer (1,2 Milliarden Mark), der Stadtstaaten (1,5 Milliarden Mark) sowie der völlig überschuldeten Länder Bremen und Saarland (3,4 Milliarden Mark) bezahlt. Bremen und das Saarland haben sich dafür einem strengen Sanierungsprogramm unterworfen, dessen Einhaltung vom Bund und den anderen Ländern kontrolliert wird. Durch diese Sonderzahlungen des Bundes werden die Geberländer nun wahrlich nicht „ausgebeutet“. Nachteile müssen ziemlich mühsam herbeikonstruiert werden.

Die armen Länder haben deshalb wenig Anlaß, sich auf eine politische Reform des Länderfinanzausgleichs einzulassen, der in dieser Form erst seit 1995 in Kraft ist. Peinlicherweise haben Bayern und Baden-Württemberg damals die vor allem zu Lasten des Bundes gehende Neuregelung noch ausdrücklich begrüßt. Auch den Vorwurf, schwache Länder ruhten sich in der „sozialen Hängematte“ aus, können die Nehmerländer ruhig kontern. Ausgerechnet Bayern hat fast vier Jahrzehnte lang Gelder aus dem Finanzausgleich bekommen und sich in dieser Zeit immerhin vom rückständigen Agrarland zum High-Tech-Standort gewandelt.

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