piwik no script img

Archiv-Artikel

„Wir wollen nicht dogmatisch sein“

Von PS

MARKUS FEIN, 36, Musikwissenschaftler und Kunsthistoriker, leitet seit 2007 die Niedersächsischen Musiktage.

taz: Was hat das Motto „Zwischen Himmel und Erde“ mit Musik zu tun, Herr Fein?

Markus Fein: Komponisten haben sich im Raum zwischen Himmel und Erde, im Visionären, Ungefähren und Skurrilen immer sehr wohl gefühlt. Dem spüren wir in knapp 70 Konzerten nach. Dabei beschreiben wir diesen Raum natürlich aus verschiedenen Perspektiven. Die religiösen Werke eines Monteverdi oder das Requiem von Brahms zielen sehr konkret auf Religiöses. Andere, oft gegen Lebensende komponierte Werke verstehen sich als Vermächtnis.

Das heißt als irdisches Vermächtnis?

Diese Stücke zielen auf die Grundfragen des Lebens – etwa Beethovens späte Quartette oder seine Missa Solemnis. Andere Konzerte verstehen unser Motto dagegen als Spannungsfeld – zum Beispiel die zwölf Cellisten der Berliner Philharmoniker, die einerseits sehr handfeste Volkstänze spielen und andererseits Verdis „Dance of the Angel“.

Ging es schon in den Vorjahren der Niedersächsischen Musiktage darum, die letzten Fragen des Lebens zu beleuchten?

In diesem Jahr hängt dieser Zungenschlag natürlich mit unserem Thema zusammen. Wobei wir darauf achten, dass das keine zu ernste Angelegenheit wird und uns auch den ironischen Seitenblick gestatten. In unserer neuen Veranstaltungsreihe „Texte und Töne“ geht es zum Beispiel um den Traum vom Fliegen. Hier haben wir Lesungen mit Rufus Beck und anderen Schauspielern und Sprechern geplant.

Aus welchen Epochen stammt die in diesem Jahr präsentierte Musik?

Die Palette reicht vom Mittelalter bis zu einer Auftragskomposition des Schlagzeugers, Hörspielautors und Komponisten Matthias Kaul. Er hat zivilisationskritische Texte von Jean Paul vertont.

Wollen Sie mit solchen Intellektualismen das Schleswig-Holstein Musik Festival übertrumpfen?

Nein. Wir haben ein sehr eigenständiges Profil und wollen nicht nur intellektuell daherkommen, sondern auch ein Festival der Sinne und Entdeckungen sein. Wir haben zum Beispiel eine „Lange Nacht der Klöster“ eingeführt, die wir auch in den nächsten Jahren fortführen wollen. Hier bieten wir im Kloster Mariensee in Neustadt am Rübenberge einen Parcours aus Konzerten, Lesungen und Diskussionen an. Und Sänger des Hilliard-Ensembles werden einen Workshop veranstalten, der das Publikum animieren soll, mitzusingen.

Wollen Sie auch explizit religiös orientierte Menschen anlocken?

Ja, auch. Wir legen aber natürlich kein Bekenntnis für eine bestimmte Konfession oder Religion ab. Mit dem bulgarischen Vokalensemble EVA haben wir die orthodoxe Facette, mit dem Londoner Gospelchor die afroamerikanische Facette christlicher Gesänge im Programm. Die Musiktage sollen auch eine Reise durch verschiedene Kulturen sein und keinesfalls dogmatisch.

INTERVIEW: PS

Die niedersächsischen Musiktage finden vom 2.–30. September statt. www.musiktage.de