: „Wir verbieten das niemandem“
BETEN IN DER SCHULE In der Folge eines Berliner Urteils wird in Bremen überlegt, Gebetsräume für muslimische Schüler einzurichten. Schura setzt auf pragmatische Lösungen
VON ANNA GRAS
Ob an Bremer Schulen Bedarf an Gebetsräumen besteht, prüft derzeit die Schulbehörde. In Berlin hatte ein muslimischer Schüler das Recht, in der Schule zu beten, vor dem Verwaltungsgericht eingeklagt. Dort hatte man zuvor – ähnlich wie in Bremen – auf individuelle Lösungen gesetzt, wenn SchülerInnen in der Schule ihr Gebet verrichten wollten.
Seine Schulleiterin hatte dem 16-Jährigen verboten, während der Pause in einer Ecke des Schulflurs zu beten. Religiöse und politische Bekundungen seien an öffentlichen Schulen nicht erlaubt, so ihr Argument. Die Berliner Schulbehörde rieb sich gar am „werbenden und demonstrativen Charakter“ des Gebets. Das Verwaltungsgericht gab dem Schüler Recht: Zur grundgesetzlichen Religionsfreiheit zähle auch die „Freiheit, den Glauben zu bekunden“. Also zu beten.
„Wenn jemand beten will, soll er beten“, sagt Manfred Ruberg, Sprecher der Bremer Schulbehörde. „Wir verbieten das niemandem.“ Wie genau Bremens Schulen mit dem Thema umgehen, weiß er allerdings nicht. Das werde derzeit recherchiert. „Wir setzen auf das Fingerspitzengefühl der einzelnen Schulen“, sagt Ruberg. Die Lehrergewerkschaft GEW gibt sich dagegen skeptisch. „Grundsätzlich“, sagt ihr Landesvorstandssprecher Christian Gloede-Noweck, „sind Schulen nicht die richtigen Orte für private Religionsausübungen“.
Nach dem Urteil sei damit zu rechnen, dass künftig mehr Bremer SchülerInnen dieses Recht einfordern werden, sagt Mehmet Kilinc, Sprecher der Schura, einem Dachverband islamischer Vereine in Bremen. Auch mit dem Ausbau der Ganztagsschulen gewinne die Frage, ob und wo in Schulen gebetet werden dürfe, an Bedeutung. Denn dann könnten Muslime das Mittagsgebet nicht mehr nach Schulschluss zu Hause verrichten.
Vereinzelt habe die Schura vermitteln müssen, damit SchülerInnen ungestört beten könnten, sagt Kilinc. Meist sei Unwissenheit über islamische Gebetsrituale die Ursache für Probleme gewesen. So sei einem Jungen, der sich regelmäßig zum Beten in einen Klassenraum zurückzog, unterstellt worden, er wolle dort naturwissenschaftliches Instrumentarium stehlen. „Wir konnten in Gesprächen mit den Lehrern ein paar Ängste nehmen“, sagt Kilinc. Er setzt auch nach dem Berliner Urteil auf pragmatische und individuelle Lösungen, „dort wo Bedarf ist“. Feste Regeln fordert er nicht. „Die Behörde sollte die Schulen aber über das Urteil informieren und für das Thema sensibilisieren“, sagt er.
Von Seiten der Politik hat bislang nur die FDP-Bürgerschaftsfraktion auf das Urteil reagiert. Sie hat beim Senat angefragt, welche Konsequenzen Bremen aus dem Urteil zieht, welche Möglichkeiten zum Gebet an Bremens Schulen bislang bestehen und welche Regelungen gelten – und wie dabei „der Neutralitätspflicht des Staates Rechnung getragen wird“. Man greife das Urteil vor allem vor dem Hintergrund der aktuellen Schulstandortplanung in Bremen auf, sagt der FDP-Bildungspolitiker Magnus Buhlert. „Die Frage, ob man zum Gebet Räume in Schulen einrichten muss, sollte man dabei im Hinterkopf haben“, sagt er.