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Archiv-Artikel

Wir und die Chinesen

Eberhard Sandschneider kritisiert unaufgeregt die Versäumnisse des Westens gegenüber der aufstrebenden Supermacht

In China nehmen die sozialen Spannungen deutlich zu, doch organisiert die herrschende Kommunistische Partei den globalen Aufstieg der Volksrepublik bislang geschickt. Dieser erfolgreichen Entwicklung steht der Westen ratlos gegenüber und neigt dazu, für eigene Probleme immer wieder China verantwortlich zu machen. Das sind die zentralen Aussagen des Buches „Globale Rivalen. Chinas unheimlicher Aufstieg und die Ohnmacht des Westens“ von Eberhard Sandschneider.

Der Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und Chinaexperte analysiert nüchtern und angenehm lesbar Chinas Fortschritte. „Priorität hat immer das fortgesetzte politische, wirtschaftliche und militärische Erstarken des Landes“, so Sandschneiders Fazit.

Er wirft China dabei eine bewusste Verschleierung seiner Absichten vor, die seiner Meinung nach erst dann wirklich klar werden dürften, wenn Peking über alle angestrebten Fähigkeiten verfügt. Angenehmerweise übertreibt es Sandschneider dabei nicht mit seiner Kritik. Vielmehr hält er das Streben des Landes nach internationalem Einfluss, mehr Marktanteilen und politischem wie ökonomischem Erfolg für legitim. Das gelte zwar auch für das westliche Ansinnen, den eigenen Wohlstand zu verteidigen. Doch mit dem Ende der Blockkonfrontation 1989 und den Terroranschlägen vom 11. September 2001 habe sich die Welt fundamental verändert. Darauf habe der Westen keine Antwort, wie sich an seiner Ohnmacht gegenüber China zeige.

Bei dieser Überlegung macht es sich Sandschneider allerdings zu einfach. Symptomatisch ist der nervige, weil kumpelhafte Gebrauch des Wortes „wir“, das mal „den“ Westen, mal „die“ Europäer oder „die“ Deutschen meint. Zwar differenziert er zwischen den Debatten US-amerikanischer und europäischer Chinapolitik. Er tut aber ansonsten so, als hätten Amerikaner und Europäer gleiche globale Interessen, als gäbe es nicht auch innerhalb der Kontinente und jeweiligen Länder deutliche Interessenkonflikte.

Den Europäern wirft Sandschneider vor, China nach wie vor hauptsächlich wirtschaftlich zu betrachten und keine Sicherheitsstrategie zu haben, wie sich etwa beim Taiwankonflikt zeige. Damit berührt er in der Tat einen wunden Punkt. Doch wie die angemahnte europäische Sicherheitsstrategie aussehen könnte, deutet Sandschneider leider nicht einmal an.

Ähnlich enttäuschend ist sein Umgang mit dem Thema Menschenrechte, das er als „Störfaktor“ und „Nebenkriegsschauplatz“ bezeichnet. Er beobachtet zutreffend, dass Kritik an chinesischen Menschenrechtsverletzungen durch deutsche und europäische Politiker meist „politische Effekthascherei“ ist und innenpolitischer Profilierung dient. Auch müsse sich der Westen bei den Menschenrechten nicht erst seit Guantánamo den Vorwurf der Doppelmoral gefallen lassen. Sandschneider mahnt einen ehrlicheren Umgang mit diesem Thema an, verschweigt aber auch hier, wie dieser aussehen könnte. So hätte man von einem Chinaexperten wie ihm gern gewusst, ob er etwa den deutsch-chinesischen Rechtsstaatsdialog für ein geeignetes Mittel hält. Hier bleibt Sandschneider erschreckend oberflächlich.

Trotzdem ist das Buch empfehlenswert. Auch weil Sandschneider nicht wie manch anderer gleich ein chinesisches Jahrhundert ausruft oder einen militärischen Konflikt mit China heraufbeschwört. „Der Wettbewerb mit dem Rivalen China wird auf den Feldern von Innovation, flexibler Anpassung an neue globale Herausforderungen und dem Tempo des technologischen Fortschritts ausgetragen“, lautet seine Prognose. SVEN HANSEN

Eberhard Sandschneider: „Globale Rivalen. Chinas unheimlicher Aufstieg und die Ohnmacht des Westens“. Carl Hanser Verlag, München 2007, 248 Seiten, 19,90 Euro