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Archiv-Artikel

Wir sehen uns vor Gericht

Zahl der Prozesse vor den SozialrichterInnen nimmt zu. Gewerkschaftsbund macht das soziale Klima dafür verantwortlich. SachbearbeiterInnen seien oft überlastet

Der Deutsche Gewerkschaftsbund stellt einen deutlichen Anstieg von rechtlichen Auseinandersetzungen vor Sozialgerichten fest. „Das soziale Klima wird rauher“, hat der Rechtssekretär des DGB Hamburg, Peter Klenter, als Ursache ausgemacht. So habe der DGB im vergangenen Jahr in mehr als 1.200 Fällen Gewerkschaftsmitglieder vor dem Sozialgericht vertreten, teilte der DGB gestern mit. Das ist eine Steigerung von gut fünf Prozent gegenüber dem Jahr zuvor.

Interessant für die RechtsschutzexpertInnen der Gewerkschaft sei allerdings weniger die Quantität – „in Großstädten wie Hamburg bewegten wir uns immer schon auf sehr hohem Niveau“ –, sondern vor allem eine Verschiebung der Konfliktursachen – weg von Rechtsstreitigkeiten um die Rente hin zu Auseinandersetzungen mit den Arbeits- und Sozialämtern, sowie Krankenkassen um finanzielle Ansprüche.

„Die Auseinandersetzung hat dabei an Schärfe zugenommen, weil es immer weniger Spielräume für Lösungen gibt“, sagt Klenter. Schuld daran seien unter anderem die verschärften gesetzlichen Bestimmungen beim Beziehen zum Beispiel von Arbeitslosengeld. Was der DGB jedoch zudem zunehmend beobachtet, sind Konflikte nach Beratungsfehlern auf den Ämtern – weil die dortigen SachbearbeiterInnen mit ihrer Arbeit mittlerweile überfordert seien: „Allein im Sozialamt St. Pauli hat sich die Fallzahl pro Betreuer verdoppelt“, hält Klenter fest. Wenn das Personal auf den Ämtern dann noch auf Fortbildungen verzichten müsse, stellten sich schnell entsprechende Fehler ein.

Eine Entwicklung, die sich aus Sicht des DGB künftig noch steigern werde. Die Gesundheitsreform und die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe verstärken nicht nur den Druck auf die LeistungsempfängerInnen, so Klenter, gleichzeitig wachse die Verunsicherung bei den SachbearbeiterInnen, ob ihre Entscheidungen richtig seien oder falsch. TAZ