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Archiv-Artikel

„Wir rechnen mit zehn Prozent Pleiten“

Die Fuhrgewerbe-Innung Berlin-Brandenburg erwartet durch die Maut zahlreiche Insolvenzen. Wegen fehlender Abrechnungsgeräte für die Lastwagen fordert sie, den für den 31. August vorgesehenen Start zu verschieben

taz: Frau Leonard, sehen wir die Lkws Ihrer Mitglieder in 32 Tagen alle durch die Innenstadt fahren, wenn die Mautpflicht auf Autobahnen beginnen soll?

Christiane Leonard: Davon gehen wir aus. Das hat aber nichts mit der Maut selbst zu tun, sondern mit der fehlenden technischen Vorbereitung.

Das müssen Sie mal genauer erklären.

Die Fahrt dauert doch viel länger und kostet trotz Maut mehr, wenn die Fahrer statt auf der Autobahn über die Landstraßen oder durch die Stadt fahren. Rein kostenmäßig gehen wir davon aus, dass es zu keiner großen Verlagerung kommt. Das setzt aber voraus, dass die Abrechungsgeräte in den Fahrzeugen vorhanden sind, die so genannten On-Board-Units, kurz Obus. Die sind aber noch nicht verfügbar. Ohne sie muss die Maut über das Internet oder an Autobahn-Tankstellen entrichtet werden. Das kostet Zeit und Geld – und das, nicht die Maut an und für sich, treibt die Wagen von der Autobahn runter.

Wie viele Ihrer betroffenen 450 Mitgliedsfirmen haben denn noch kein Obu?

Ich habe gerade noch mit mehreren Unternehmen telefoniert: Von unseren Mitgliedern hat nach meiner Kenntnis noch keiner ein funktionierendes Gerät. Und die Alternative fällt flach: Unser Gewerbe ist hier von Familienunternehmen mit sechs bis acht Fahrzeugen geprägt. Die können es sich nicht leisten, noch jemanden einzustellen, der die Disposition übernimmt und übers Internet die Mautgebühren zahlt.

Ihnen bleiben ja noch die Automaten an den Tankstellen.

Es ist bei dem Termindruck in unserem Gewerbe schon zeitintensiv genug, wenn der Fahrer parken, aussteigen und am Gerät bezahlen muss. Aber der ist ja nicht allein, da stehen ja viele Fahrzeuge vor ihm. Solange das so ist, bleibt den Unternehmen nichts, als die Autobahn zu meiden.

Das ist für Sie sicher?

Das hängt davon ab, ob Bundesverkehrsminister Stolpe nicht doch noch den Starttermin für die Maut verschiebt, wie wir es fordern. Wir halten es frühestens zum Jahresende für machbar.

Es gab auch die Befürchtung von mehr Verkehr, weil Unternehmen statt eines großen zwei kleinere Fahrzeuge unter zwölf Tonnen Gewicht einsetzen könnten, die nicht mautpflichtig sind.

Das glauben wir nicht, denn dann müsste man ja auch zwei Fahrer einsetzen – die Personalkosten wären höher als die Maut.

Nehmen wir mal ein Unternehmen mit sechs Wagen mit je 500 Kilometer täglich und 20 Fahrtagen im Monat: Bei 12,4 Cent Maut pro Kilometer werden monatlich etwa 7.500 Euro fällig. Drohen Insolvenzen?

Wenn es einem Unternehmen nicht gelingt, die Kosten weiterzugeben, wird es in die Pleite getrieben werden. Wir rechnen damit, dass das mindestens zehn Prozent unserer Mitglieder betrifft. INTERVIEW: STEFAN ALBERTI