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Wir müssen draußen bleiben

■ Fußball-WM und das österreichische Bewußtsein

EUROMUFFEL

Muffel oder Fan? Der Österreicher zieht das unreine Gemisch jederzeit vor. In den letzten Tagen verlief die Entwicklung allerdings deutlich in Richtung Muffel. Die Rede ist natürlich von der Fußball-WM, bei der es zugeht, als wäre Fußball nicht ein Spiel, sondern ein eiskaltes Geschäft, bei dem es keine Gerechtigkeit gibt. Wir wissen zwar, daß es so ist, aber so genau wollten wir's auch wieder nicht wissen. Oh Kamerun, Jugoslawien, Brasilien! Oh ihr Eleganten, Beherzten, oh ihr Fußballspieler! Ihr Guten, die ihr an Schlechteren gescheitert seid!

Österreich gehört leider nicht in diese Reihe. Den Status des Außenseiters pflegen wir uns selbst bereitwillig einzuräumen. Dessen Charme besteht allerdings vor allem darin, die Möglichkeit zu spüren, daß jemand über seine Rolle hinauswachsen kann. Vor großen Anlässen nimmt Österreichs Öffentlichkeit die Struktur von Knabenträumen an - und dann kommt es immer, wie es kommen muß.

Nachdem die gedemütigten Burlis im Rahmen ihrer Möglichkeiten blieben und die frühe aber verdiente Heimreise angetreten haben (unter den Schmähungen jener Blätter, von denen sie zuvor unter Mißachtung aller Tatsachen hochgejubelt worden waren), bleibt Österreich, wie schon so oft, nur eine Hoffnung: der Schiedsrichter.

Da dieser aber soeben seinem Namen Helmut Kohl alle Ehre gemacht hat und das Spiel BRD-CSFR so deutschenfreundlich pfiff, als wäre er tatsächlich des Pfälzers leiblicher Sproß, werden wir vom großen Finale in jeder Weise ausgeschlossen bleiben.

Wir müssen draußen bleiben. Und das, obwohl unser Land laut Bundeshymne „dem Erdteil inmitten“ liegt, „einem starken Herzen gleich“. Doch haben wir mit den Prüfungen, die solch mittiges Dasein mit sich bringt, unsere liebe Not. „Weil jetzt auch Millionen Russen in den Westen wollen: Bundesheer soll verstärkt unsere Grenzen schützen“, meldete jüngst die 'Kronenzeitung‘, der Welt (relativ) größtes Boulevardblatt. Die Aufgabe unseres Heeres entwickelt sich also dynamisch. Lag sie einst darin, den Durchzug der Russen zu verlangsamen, dann, uns vor lokalen nationalistischen Konflikten im freien Mitteleuropa zu schützen, soll es uns jetzt vor Einwanderern und Touristen bewahren.

Der nächste Schritt ist leicht voraussehbar. Grenzschutz nach innen. Das Heer verhindert eine Massenauswanderung von Österreichern. Wohin? Ins neue Deutschland natürlich! Wir möchten, einmal nur, zu den Siegern gehören.

Armin Thurnher

Der Autor ist Chefredakteur der Wiener Wochenzeitschrift 'Falter‘

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