: „Wir müssen angeln helfen“
DRITTE WELT An der Uni wird über den Sinn und Unsinn der Entwicklungshilfe diskutiert
■ Jg. 1958, ist Professor für Politikwissenschaft und Vizepräsident der Akademie der Wissenschaften.
taz: Herr Jakobeit, brauchen wir mehr Entwicklungshilfe?
Cord Jakobeit: Nicht unbedingt. Was viele Entwicklungsländer brauchen, ist nicht mehr Geld, sondern die Chance, ihre Hilfen eigenständig zu verwalten. Denn die Grundidee der Entwicklungshilfe ist es, den Ländern beizubringen zu angeln und nicht den Fisch bereitzustellen, damit andere angeln können.
Entwicklungshilfe gibt es schon lange, doch in der Politik ist sie nie oben auf der Agenda. Weshalb ist das so?
Weil die christlich-liberale Koalition das Geld lieber im eigenen Land einsetzt für die Schaffung von Arbeitsplätzen oder Wohnraum. Die Ausgaben für die Entwicklungszusammenarbeit liegen gerade einmal bei 0,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Wo liegen die Unterschiede zwischen den Parteien?
Die schwarz-gelbe Koalition hebt natürlich vor allem die organisatorische Reform der letzten vier Jahre hervor. Die Opposition hingegen kritisiert eine schleichende Renationalisierung, mit dem Effekt, dass durch die Zusammenarbeit vor allem die deutsche Wirtschaft gefördert wird.
Wieso gibt es diesen Diskurs erst jetzt?
Man hat immer über die Entwicklungszusammenarbeit gestritten. Das ist nicht erst ein Phänomen der letzten vier Jahre. Die Bundesrepublik verfehlt das Ziel, 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Entwicklungshilfe auszugeben, schon sehr lange. Die jetzige Bundesregierung ist aber mit dem Anspruch angetreten, die Weichen neu zu stellen.
Wieso ist das Ziel von 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes nie erreicht worden ?
In der Tat wäre es wichtig, dass Entwicklungszusammenarbeit einen Beitrag leistet zur Bewältigung globaler Herausforderungen. Es geht um die Vorbereitung für ein postfossiles Zeitalter und um Armutsreduzierung. Ob dafür dezidiert 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ausgegeben werden müssen oder ein Wert, der darüber oder darunter liegt, das ist noch mal eine andere Frage. Letztendlich muss sich ja die jeweilige Ausgabe bewähren. Sie muss wirksam das propagierte Ziel erreichen und sie darf nicht nur Förderung für westliche Experten oder westliche Produkte sein. Für das, was sich bewährt hat, da wo entwicklungspolitische Anstrengungen nachweisliche Folgen haben, dort muss man mehr Geld ausgeben. INTERVIEW: LENNART GIESSING
Diskussion „Streit um die Entwicklungspolitik“, 18 Uhr, Uni Hamburg, Hauptgebäude, Raum 221