„Wir machen das aus Menschenfreundlichkeit“

Ruhrkohle AG lagert Müll aus Bergwerken in stillgelegter Zeche / Pilotprojekt für geplante Sondermüllagerung untertage / Umweltminister stimmt der Planung zu / Grüne sehen Umweltschutz zur Wirtschaftsförderungsmaßnahme degeneriert  ■  Aus Essen Anne Weber

„Ist das nicht eine herrliche Ruhe hier Untertage?“ fragt ein Angestellter der Ruhrkohle AG (RAG). Sein Kollege, der Werksleiter der technischen Betriebe der Bergbau AG Lippe, Christoph Zillesen, korrigiert ihn: „Beklemmende Ruhe. Traurig ist das.“ Zillesen ist ehrlich betroffen, die beiden Grünen, Andrea Stamm, Mitarbeiterin des Regionalbüros Ruhrgebiet, und Wilhelm Knabe, Bundestagsabgeordneter, ebenfalls. Der Leiter des Zentralstabs Entsorgung der RAG, Manfred Plate, ist hingegen zurückhaltend, zeigt Pokerface. Die beklemmende Stille in der stillgelegten Zeche Zollverein in Essen wird jetzt durchbrochen, denn die Herren der RAG beginnen die Führung durch die unterirdischen Gänge.

In der seit Ende '86 stillgelegten Zeche soll die angeblich ökologische Sicherheit einer Untertage-Deponie vorgeführt werden. Seit knapp zwei Wochen werden Abfälle der „Risikogruppe Null“ in die Zeche Zollverein gepumpt. Durch einen Schlauch, den die Abfälle als träge Brühe hinab befördert. Zwei Jahre lang will man hier täglich 200 Tonnen Müll aus Steinkohlebergwerken auf einer Gesamtfläche von 155.000 Quadratmetern einlagern. Von den jährlich entstehenden Abfällen, wie Flugaschen, Stäuben und Kesselschlacken sowie Gips kann nach Angabe der RAG nur ein geringer Teil untergebracht werden.

„Im Prinzip“, so Zillesen, „ist Zollverein als Untertage -Deponie für die RAG höchst unwirtschaftlich. Wir machen das eigentlich nur aus reiner Menschenfreundlichkeit.“ Das wollen die Grünen ihm nicht recht glauben, und so muß er weiter ausführen: „Die Entsorgung ist ein Service für unsere Kunden. Wir nehmen die Abfälle von dem Stoff zurück, den wir geliefert haben.“

Die Bergmannsleuchten sollen helfen, die Bedenken der Grünen ob der ökologischen Verträglichkeit der Deponie aus dem Weg räumen: „Sehen Sie mal hier, das Gestein ist ganz dicht. Und wenn wir den flüssigen Abfall hier einbringen, saugt es sich voll. Das Grubenwasser kommt mit dem Grundwasser gar nicht in Kontakt. Auch aufgrund seiner hydrologisch unterschiedlichen Beschaffenheit wird es sich nicht vermischen“, heißt es.

Diese Theorie ist sie durch Gutachten des Landesamtes für Wasser und Abfall sowie von höchster Stelle, dem nordrhein -westfälischen Umweltminister Matthiesen, abgesegnet. Der Einwand von Andrea Stamm, daß sich Wasser zum Beispiel durch Temperatureinwirkungen gerade bei der Hitze untertage vermischen kann, stört die Herren der RAG nicht. Sie sind sich ihrer Sache sicher, obwohl es noch keine vergleichbaren Deponierungsverfahren gibt. „Es ist doch nur logisch, daß der Abfall aus Steinkohlekraftwerken hier keinen Schaden anrichten kann, wir führen in das Bergwerk nur das wieder zurück, was vorher auch drin gewesen ist“, so Zillesen.

Diese Logik mag man im Fall der Zeche Zollverein noch hinnehmen. Als aber die RAG-Delegation - nun wieder übertage - ihre langfristigen Deponierungspläne offen legt, ist Schluß mit dem Verständnis. Jetzt zeigen die Grünen Pokerface. Sie sparen sich die Stellungnahme für ihre Pressearbeit auf und lauschen den Ausführungen der Herren von der RAG. Die Zeche Zollverein sei nur ein Pilotprojekt, heißt es, und mittelfristig plane man mit Zustimmung des nordrhein-westfälischen Umweltministeriums eine „Erweiterung des Stoffkatalogs in Richtung Sondermüll“. Das wäre dann auch wirtschaftlich und könnte Arbeitsplätze schaffen. „Ganze Betriebe könnten entstehen“, schwärmt Zillesen. Derzeit überprüfen Wissenschaftler im Auftrag des Landesamtes für Wasser und Abfall, welche Stoffe in Untertagedeponien gelagert werden können. Als ausgeschlossen für die Deponierung gelten entzündliche, hochtoxische, radioaktive und biologische Abfälle. Sonst möchte Minister Matthiesen aber „möglichst alles, was nicht in die Landschaft gekippt werden muß, in die Grube fahren lassen“. Das heißt Asbest, Schlacke, Keramikabfälle und Rückstände aus Müllverbrennungsanlagen. Letztere sind zwar meist dioxinhaltig und damit hochtoxisch. „Aber“, so einer der Gutachter, „Dioxin ist eben fast überall drin.“ Nach einem Schnaps auf die geglückte Grubenfahrt resümieren die Grünen: Die RAG will in die Abfallindustrie einsteigen; Umweltschutz degeneriere zur Wirtschaftsförderungsmaßnahme.