: „Wir leiden unter Schutzgebieten“
Ureinwohner lehnen weitere Naturschutzflächen auf ihrem Land ab, sagt Jannie Lasimbang, Indigenen-Vertreterin aus Malaysia, bei der UN-Konferenz über Biovielfalt. Auch von einer Beteiligung an der Gebietsverwaltung hält sie nichts
JANNIE LASIMBANG, 45, ist Mitglied im Internationalen Indigenen-Forum über Biodiversität.
taz: Frau Lasimbang, der Norden drängt den Süden mehr Wälder und andere Flächen unter Naturschutz zu stellen. Was halten die Ureinwohner davon?
Jannie Lasimbang: Wir lehnen es ab, weitere Schutzgebiete in unserem Territorium einzurichten. In Afrika etwa haben die Indigenen sehr stark unter den Naturschutzflächen gelitten.
Wie genau schaden Schutzgebiete den Indigenen?
In der Demokratischen Republik Kongo wurden für fast alle Schutzgebiete dort die Bewohner der Flächen vertrieben. In Tansania mussten die Masai innerhalb von 24 Stunden ihr Gebiet verlassen, ihre Tiere wurden beschlagnahmt. Wenn die Indigenen bleiben können, haben sie oft nur noch begrenzten Zugang zu den Ressourcen der Natur, von der sie leben: zum Beispiel zum Wasser.
Welche Folgen hat die Vertreibung für die Umwelt?
Die Menschen müssen auf neues Land ausweichen. Der Druck auf die Ressourcen an anderen Orten steigt. Dadurch wird die biologische Vielfalt noch stärker gefährdet. Schon deshalb müssen die Ureinwohner ihr Land zurückbekommen.
Den Ureinwohnern wird oft vorgeworfen, dass sie die Natur schädigten.
Wir indigene Gemeinschaften schützen die Gebiete seit Jahrhunderten, weil wir auf sie angewiesen sind, um zu überleben. In meiner Heimat Malaysia haben Indigene selbst geregelt, wie viel sie fischen. Wenn es dem Bestand gut geht, dauert die Saison sechs Monate, wenn es schlecht um ihn steht, nur einen Monat. Das hat sehr gut funktioniert. Wir wollen nur essen, nicht das große Geschäft mit der Natur machen.
Aber verhindern Schutzgebiete nicht auch, dass beispielsweise Holzfäller von außen kommen und den Wald der Indigenen vernichten?
Ja, manchmal ist das so. Aber viele unserer Regierungen sind korrupt. Sie rufen Schutzgebiete aus, schließen die Ureinwohner aus und schanzen das Land dann der Industrie zu. Man kann ihnen nicht vertrauen.
Wäre nicht ein Kompromiss, dass die Ureinwohner an der Verwaltung der Schutzgebiete beteiligt werden?
Die Einrichtung neuer Naturschutzgebiete ist ein zentrales Thema bei der UN-Konferenz zur biologischen Vielfalt, die derzeit in Bonn tagt. Die UN streben ein globales Netz von Schutzgebieten an, vor allem in Regenwäldern. Die Bundesregierung wirbt in Bonn für ein neues Finanzierungsmodell, bei dem Industriestaaten auf freiwilliger Basis wichtige Schutzgebiete in Entwicklungsländern finanzieren. Dort gibt es aber nicht nur Einwände von Seiten der Wirtschaft; auch indigene Völker fürchten um ihre Rechte und wehren sich gegen Vertreibung. Umweltverbände drängen auf eine Lösung, die einerseits effektiven Naturschutz ermöglicht, andererseits aber die Rechte der Ureinwohner schützt.
Komanagement ist keine Lösung, weil es in der Praxis damit zu viele Probleme gibt. In vielen asiatischen Ländern etwa fehlt es an einer Kultur der Machtteilung. Eine Hürde ist auch, dass unsere Leute oft nicht die Bildung und Fähigkeit haben, ihre Interessen in Gremien zu vertreten. Wir sind vom Dorf. Jetzt müssen wir gegen Regierungsbeamte antreten und uns mit Sachen wie Managementplänen befassen.
Was fordern sie von den 190 Ländern, die derzeit über Naturschutz beraten?
Es muss Schluss sein mit den Lippenbekenntnissen. Die Länder haben gute Dokumente verabschiedet, die die Rechte der Indigenen garantieren sollen. Aber sie setzen sie nicht um. In Bonn müssen sie Schritte beschließen, um das zu ändern.
INTERVIEW: JOST MAURIN