Wir lassen lesen: Doppelfehler und Schweinebanden
■ Verkappte Kommentare zu Deutschland: Klugmanns Sportkrimis
Noch vor rund zehn Jahren galten manche Freizeitbeschäftigungen innerhalb der linken Szene als anrüchig, die heute voll und ganz akzeptiert sind. So mußte man beispielsweise den einzigen WG-Fernseher in sein Zimmer schmuggeln, um dort bei leisegedrehtem Ton die „Sportschau“ zu verfolgen. Einen Kriminalroman las man am besten unter der Bettdecke.
Heute liegen die Dinge ganz anders. Die Linke hat ihr Herz für den Sport, und hier insbesondere für den Fußball, entdeckt, und beinahe jeder ambitionierte Verlag bringt inzwischen seine eigene Krimireihe heraus. Eine im Sport angesiedelte Kriminalgeschichte war allerdings eher die Ausnahme. Seit etwa eineinhalb Jahren ist es hiermit vorbei. Im April 1995 veröffentlichte der Rowohlt Taschenbuch Verlag im Rahmen seiner rororo thriller-Reihe die „Schweinebande“ von Norbert Klugmann. Erstmalig stellte Klugmann, 44 Jahre alt, in Hamburg lebend und seit einigen Jahren als Krimiautor tätig, die Figur des namenlosen Sportreporters vor. Der Journalist ist der in die Jahre gekommene Sportchef einer Dresdener Lokalzeitung. Er ist Anfang 50, und Klugmann behauptet, „er sieht auch so alt aus, wie er ist“, dazu „ungewaschen und zerknittert“.
Eigentlich hatte Klugmann gar nicht geplant, aus dem Sportreporter eine Serienfigur zu machen. So hat auch der erste Krimi, in dem er auftritt, nur ganz am Rande mit Sport zu tun. Erst im Zusammenhang mit der Arbeit an der „Schweinebande“ kam Klugmann die Idee, eine Reihe von Sportkrimis zu produzieren. Für ihn steht Sport mitunter „beispielhaft für Verbrechen und Illegalität“ und er sei als Krimithema nicht verbraucht. Außerdem biete er ein gutes „Milieu für spannungsgeladene Geschichten“.
Herausgekommen sind zunächst einmal drei Fälle für den Sportreporter, die im Abstand von jeweils zwei Monaten auf den Markt gebracht und „ohne Verschnaufpause geschrieben“ wurden. Der in diesen Tagen erscheinende Krimi „Zielschuß“, hier wird sich alles ums Bobfahren drehen, bildet zunächst einmal eine Art Abschluß, bevor der Sportreporter voraussichtlich im Oktober des nächsten Jahres wieder in Erscheinung treten wird.
In den Fällen für den Sportreporter benutzt Klugmann die literarische Gattung des Kriminalromans, um die deutschen Verhältnisse Mitte der 90er Jahre zu beschreiben. Vor dem Hintergrund eines großen in Dresden stattfindenden Tennisturniers („Doppelfehler“) sowie der Eröffnung eines Golfplatzes an der deutsch-tschechischen Grenze („Treibschlag“) gibt Klugmann seine „verkappten Kommentare zu Deutschland“ ab. Und trotz der höchst moralischen Figur des Sportreporters gelingen ihm diese Kommentare ohne erhobenen Zeigefinger.
So beschreibt er in einer Nebenhandlung zur Golfplatzeröffnung beispielsweise den Aufstieg eines ostdeutschen Boxers namens Panowsky, der von einer rechten Partei vereinnahmt wird, während er schon als neuer Bürgermeister Dresdens gehandelt wird. Doch Klugmann macht sich über die Dinge nicht lustig oder prangert sie gar an. Er nimmt sie ernst, und seine Beschreibungen zeichnen sich höchstens durch eine feine Ironie aus.
Gleiches gilt für den Sport in seinen Krimis. Für Klugmann ist der Sport oftmals abhängig von den Interessen geldgeiler Industrieller und machthungriger Politiker. Trotzdem sorgt er immer wieder für unvergeßliche Erlebnisse.
Die Fälle für den Sportreporter sind nicht nur ohne Verschnaufpause geschrieben, man liest sie auch so. Denn Norbert Klugmann schafft es mitzureißen, getreu seiner Maxime: „Langweile den Leser nie.“ Daß es um Sport geht, macht die Lektüre nur erfreulicher. Und anrüchig ist sie auch nicht mehr. Michael Bolten
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen