Wir lassen lesen: Monster mit Fahrrad
■ „Tödliche Tour“: Ein abgehalfterter Radprofi jagt skrupellose Gangster
„Tödliche Tour“ heißt der Radsportkrimi von Greg Moody, doch der deutsche Titel ist irreführend. Der Roman spielt keineswegs bei der Tour de France, sondern in der Zeit der Frühjahrsrennen: Ruta del Sol, Het Volk, Flandern-Rundfahrt, Gent-Wevelgem und als krönender Abschluß Paris – Roubaix. Fahrten „auf des Teufels eigenen Straßen“, „Rotzrennen“ an „feuchten, grauen, kalten, bedeckten Tagen“ über Kopfsteinpflaster und Berge, die kaum der Rede wert sind, aber so früh in der Saison bei widrigsten Bedingungen die Energie im Eiltempo aus Beinen und Lungen ziehen.
Greg Moody, ein Sportjournalist aus den USA, der selbst Radrennen gefahren ist, vermeidet dankenswerterweise die meisten gängigen Klischees, die im Radsportmilieu angesiedelte Romane oft so unerträglich machen. Stets muß natürlich die Tour de France der Schauplatz sein, und die Handlung wird todsicher bestimmt von mörderischen Intrigen unter den Favoriten, wobei meist irgendwelche abgefeimten Italiener als Bösewichter herhalten müssen. Da wimmelt es von mit Gift angereicherten Trinkflaschen, manipulierten Rädern, die bei rasender Abfahrt auseinanderfallen, untergeschobenen Dopingproben und heimtückischen Gesellen, die sich unter die Zuschauer mischen, um feindliche Radler mit Messer, Pistole oder einem simplen Schubser aus dem Weg zu räumen. Nichts von alledem gibt es in „Tödliche Tour“, das im Original einfach „Two Wheels“ heißt.
Die Hauptfigur ist kein strahlender Radsportheld, der die Siege nur so aneinanderreiht, sondern ein kleiner Wasserträger aus den USA, der längst das sprichwörtliche „Herz“ verloren hat und eigentlich am Ende seiner tristen Karriere angelangt ist. In Rückblenden wird seine Entdeckung des Radfahrens erzählt, seine Leidenschaft für diesen Sport und sein Talent, das auf Europas Straßen schließlich doch nur dazu reicht, einigermaßen über die Runden zu kommen und im Feld den amerikanischen Clown mit den ulkigen Socken zu spielen. Weil Will Ross ein solcher Versager ist, bekommt er unter Mitwirkung seiner fiesen Ex-Gattin eine vermeintlich letzte Chance und wird in etwas simpel gestrickte, aber spannend erzählte kriminelle Machenschaften verwickelt, denen nacheinander diverse Angehörige seines neuen Teams zum Opfer fallen. Auch er kriegt zeitweise ordentlich was auf die Mütze, so daß er daherkommt wie das „Frankenstein-Monster, nachdem es ein Fahrrad gestohlen hat“. Doch entgegen seiner sonstigen Gewohnheit läuft er diesmal vor den Schwierigkeiten nicht davon. Als Lohn winkt ihm ein leicht kolportagehaftes Happy End – sogar auch auf sportlichem Gebiet. Unterstützt wird der tapfere Radsportmann bei seinen aufreibenden Aktivitäten von keinem Geringeren als dem großen Fausto Coppi. „Er sah aus wie ein Vogel – aber er fuhr wie ein Tyrannosaurus Rex“, heißt es von dem Italiener, der gemeinsam mit einem griesgrämigen Jacques Anquetil und den sprengstoffbedingt verblichenen Teamkollegen im Radsporthimmel wohnt und sich über Träume und Visionen immer wieder ins mörderische Geschehen einmischt.
Eine kluge Entscheidung des Autors ist es, daß er sich davor hütet, seinen Senf zu jeder Problematik des Radsports dazuzugeben. Selbst die Dopingdiskussion wird einfach und elegant ausgespart. Seine stärksten Momente hat Greg Moody, wenn er versucht, die Faszination seines Lieblingssportes zu schildern, und auch dessen Brutalität, die besonders jene trifft, denen das entscheidende Quentchen fehlt. Provinzkönige in der Heimat, Wasserträger im Peloton, die sich im Gegensatz zu den Stars nicht aussuchen können, welches Rennen sie lieber meiden. „Du kannst mich mal, Opa“, läßt Moody seinen Helden am Ende mit sichtlicher Genugtuung zum mürrischen Traum-Anquetil sagen: „Ich habe wenigstens Paris – Roubaix gewonnen. Du nicht.“ Matti Lieske ‚/B‘Greg Moody: „Tödliche Tour“. Moby Dick Verlag, Kiel 1999, 320 S., 29,80 DM
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