Wir fordern: Gute Lebensmittel als Menschenrecht

… weil wir ihrer Verschwendung entgegenwirken müssen. Andere Länder haben diesen Schritt bereits getan.

Müsli mit Milch und Früchten

Müsli mit Milch – seit Jahrzehnten Symbol für gesunde Ernährung Foto: Sina Schuldt

BERLIN taz Panter Stiftung | Es ist 8.23 Uhr. Joachim erwacht inmitten des Görlitzer Parks, auf einer Parkbank. Es ist ein sonniger Sonntag und die Bank, auf der er die letzte Nacht verbracht hatte, könnte unbequemer sein. Er hat bereits mehrere Male hier geschlafen, seine Angst beraubt zu werden, ist nach acht Jahren Obdachlosigkeit nicht mehr so groß wie am Anfang, viel besitzt er sowieso nicht.

Um ihn herum laufen bereits mehrere Jog­ge­r:in­nen und Menschen, die mit ihren gepflegt aussehenden Hunden Gassi gehen. Was er nur in diesem Moment für eine Dusche tun würde; ach, naja, egal.

Seine letzte Mahlzeit hat er am Nachmittag des Vortags zu sich genommen. Das belegte Brötchen hatte ihm eine Frau mit Kinderwagen im Vorbeigehen in die Hand gedrückt.

Allein in Deutschland werden jährlich rund 18 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeschmissen, während Joachim und viele andere Menschen hungern. Gestern Abend lief er noch an einem bereits geschlossenen Café vorbei, welches seit einer Viertelstunde geschlossen hatte und trotzdem sah er noch haufenweise Gebäck durch das polierte Schaufenster.

Dieser Text ist im Rahmen des Sommercamps der taz Panter Stiftung entstanden und spiegelt nicht die Meinung der taz-Redaktion wieder.

Die platinblonde Mitarbeiterin erschien, kurz nachdem Joachim an die Scheibe geklopft hatte. Hungrig und aufgelöst fragte er sie, was mit den übrig gebliebenen Backwaren passiere, worauf er lediglich eine trockene Antwort erhielt: „Dit müssen wa alles entsorjen.“

In Supermärkten und auch in der Gastronomie werden täglich Lebensmittel weggeworfen, die nicht verkauft werden konnten. Manche Cafés oder Restaurants spenden Reste an die Hilfsorganisation Tafel oder andere Einrichtungen, die bedürftigen Menschen und Tieren helfen. Jedoch ist die Zahl an verschwendeten Lebensmitteln immer noch erschreckend hoch.

Während Joachim und viele andere hungernde Menschen für das Suchen nach Nahrung kriminalisiert werden, gehört es für andere zum Alltag dazu, die Reste ihres vielfältigen 14-Euro-Frühstücks der nächsten Kell­ne­r:in in die Hand zu drücken.

Aktuell ist die Aneignung von entsorgten Lebensmitteln durch gastronomische Einrichtungen oder Supermärkte aus hygienischen Gründen ­untersagt.

Im Februar 2019 wurden zwei Stu­den­t:in­nen für das Durchsuchen von Müllcontainern wegen Diebstahls schuldig gesprochen und zu einer hohen Geldstrafe verurteilt. Dieses kontroverse Thema wurde daraufhin stark und scharf diskutiert. Aber an der Rechtslage hat sich immer noch nichts verändert.

Die aktuelle Gesetzgebung verhindert die Versorgung von sechs ­Millionen hungernden Menschen in Deutschland (Stand 2020). Und das, obwohl mehr als genug Nahrung für alle ­Menschen auf dieser Welt vorhanden ist.

JAKOB HEITMANN

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