Wir fordern: Eine verantwortungsvolle…

… europäische Friedenspolitik, weil wir Verantwortung tragen müssen. Nationalstaaten müssen endlich Verantwortung abgeben.

Demonstrierende tragen eine EU-Flagge, Tiflis

Demonstrierende in Georgien tragen eine EU-Flagge. Aus Hoffnung entsteht Verantwortung Foto: Shakh Alvazov

Berlin taz Panter Stiftung | „In Vielfalt geeint“, der Leitspruch der Europäischen Union, steht mehr denn je auf dem Prüfstand. Der Ukraine, einem demokratischen Land in Europa, droht, infolge eines nun seit einem halben Jahr andauernden völkerrechtswidrigen Angriffskriegs, Verwüstung, Usurpation und die Vernichtung der nationalen Identität und Kultur.

Dagegen können wir uns, als Bür­ge­r*in­nen der Festung Europa, jener Wirtschaftsgemeinschaft, der auf dem halben Weg der Wille und die Kraft zur Transformation in eine Wertegemeinschaft verloren gegangen ist, noch weitgehend in Sicherheit wähnen – wenn nicht der „Krieg vor unser Haustür“ auch den Kern unserer europäischen Identität, den Wohlstand, bedrohen würde.

Viele Krisen, seien es Corona, Brexit oder durch Kriege verursachte Migrationsbewegungen, haben im letzten Jahrzehnt den Zusammenhalt – respektive das Zusammenwachsen – der deutschen Gesellschaft und der europäischen Gemeinschaft gleichermaßen erschüttert. Populistische Bewegungen propagieren die Rückkehr zum starken Nationalstaat, der Traum von Europa droht zu zerfallen. Innerhalb von Europa werden wieder Grenzen bewacht oder gar geschlossen. An unseren Außengrenzen lassen wir die uns Schutzbefohlenen, die Schutzflehenden, eben jene, für die der Traum von einem friedlichen und sicheren Europa noch als wirkliche Hoffnung existiert, gnadenlos ver­recken – trotz unserer historischen Verantwortung.

Pushbacks, Pullbacks, Tote im Mittelmeer, Tote an Zäunen und Mauern: Europa macht dicht, mauert sich ein, schottet sich ab. Tatenlos sehen wir dem Wirken einer von der Europäischen Union finanzierten, durch illegale Praktiken in Verruf geratenen Agentur wie Frontex zu, vernachlässigen unsere Pflicht zur Kontrolle der Einhaltung der Menschenrechte und wenden uns vom Ideal der Rechtsstaatlichkeit ab.

Dieser Text ist im Rahmen des Sommercamps der taz Panter Stiftung entstanden und spiegelt nicht die Meinung der taz-Redaktion wieder.

Auch durch Waffenexporte an totalitäre Unrechtsregime und Autokraten negieren wir, zugunsten unseres Wohlstands, unsere demokratischen Grundvorstellungen und verwischen den Leitspruch „von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen“ zu einem pha­ri­sä­ischen Läuterungsmantra.

Sicherheitspolitik darf nicht länger mit Wirtschaftspolitik – oder Wohlstandspolitik – gleichgesetzt und von ihr überlagert werden. Die deutsche Gesellschaft, der deutsche Staat und die Bundesregierung müssen sich zu den demokratischen und europäischen Grundwerten bekennen und bereit sein, die hieraus erwachsenden Konsequenzen zu tragen.

Nur durch ein geeintes Europa können wir zukünftig in der Lage sein, dieser Verantwortung, insbesondere in Hinblick auf kommende Kriege, Hungersnöte, Folgen des Klimawandels gerecht zu werden. Ein nationales Wettrüsten, wie das 100 Milliarden schwere Sondervermögen für die Bundeswehr, kann nicht der richtige Weg sein. Stattdessen braucht es kurzfristig eine Umstrukturierung der dysfunktio­nalen und an einer historisch überholten Bedrohung ausgerichteten Bundeswehr.

Mittelfristig wird eine verantwortungsvolle europäische Sicherheits- und Friedenspolitik nicht ohne gemeinschaftliche Strukturen und Instrumente möglich sein, was im Umkehrschluss den Verzicht der Einzelstaaten auf militärische und außenpolitische Kompetenzen notwendig macht.

Langfristig kann sich das Umdenken in Sicherheitsfragen und der Appell an das demokratische Verantwortungsbewusstsein nicht auf Europa beschränken. Denn für eine friedlichere Welt braucht es die Vereinten Nationen, eine Veränderung des Weltsicherheitsrats und insbesondere den Verzicht auf den europäisch-amerikanischen Hegemonialanspruch. Hierfür kann ein Bekenntnis zu einer europäischen Wertegemeinschaft und Wille zur Verantwortung nur ein Anfang sein.

UDO FLEIGE, LUNA KASSANDRA HARMS UND HAUKA POCKRANDT

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