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Wiener Tatort in der ARD"Ich brauche kein Wrack"

Neuhauser und Krassnitzer ermitteln als neues Duo im ORF-Tatort. Nicht immer ganz nüchtern, aber mit viel schwarzem Humor und jeder Menge Therapie-Gedöns.

Praxistreffen: Hauptkommissar Eisner (Harald Krassnitzer, r.), Therapeut Schmitz (Harald Schrott) und Schlagersängerin Jaqueline Stein (Aglaia Szyszkowitz). Bild: rbb/ORF/Oliver Roth

Das Wiedersehen könnte kaum herzlicher Ausfallen: Auf den Inspektor, der gerade von der Beerdigung des einen Mordopfers kommt, wartet auf dem Wiener U-Bahnhof schon eine frische Leiche – und seine Kollegin Bibi Fellner, die bei der Sitte in den Sack gehauen hat und nun seine neue Assistentin ist.

Doch die schaut auch schon etwas scheintot aus und hat ihr Alkoholproblem groß ins Gesicht geschrieben. "Ich brauche eine Assistentin und kein Wrack", herrscht Moritz Einser seinen Chef an. Doch weil Eisner von Harald Krassnitzer mit dieser unschlagbaren Kombination aus österreichischer Weltuntergangsstimmung, väterlicher Überforderung und polizeilich-korrektem Anstand gespielt wird, ist das natürlich alles nicht so ernst gemeint.

Dabei ist die Tat alles andere als von Pappe: Da hat der Mörder in der U-Bahn einen jungen Mann regelrecht hingerichtet. Einen jungen Mann, der seinerseits einen Rentner auf dem Gewissen hat, der sich im falschen Moment über die zu laute Musik in der U-Bahn beschwert hatte und vom heutigen Opfer massakriert wurde.

Der Fall hat Parallelen zu dem des ebenfalls ermordeten Kevin, auf dessen Beerdigung dieser ORF-"Tatort" begann – auch der war kein Kind von Traurigkeit, sondern hatte schon als Jugendlicher einen Menschen auf dem Gewissen. Haltlose, sinnlose Gewalt von Jugendlichen aus kaputten Elternhäusern, die alle nach Jugendstrafrecht abgeurteilt und in Therapie geschickt wurden – dieser "Tatort" macht es sich nicht leicht.

Und nun muss Eisner mit der schwächelnden Kollegin ran. Wie Adele Neuhauser diese Bibi spielt, ist ganz wunderbar real, nirgends zu aufgesetzt – was eine Leistung ist, wenn man wie sie leicht alkoholisiert zum Tatort mit einem Firebird-Schlitten fährt, der zwar nicht direkt dem nächstbesten Zuhälter, aber "Inkasso-Heinz" gehört.

Und natürlich kommen sich Eisner und Bibi näher, rein professionell versteht sich. Zumal sich Bibi sichtlich besser im Milieu der Jugendlichen auskennt, die alle beim Psychologen Dr. Schmitz (wunderbar emotionslos: Harald Schrott) in Therapie sind, um ihre Gewalt und Wut in den Griff zu bekommen. Und die nach dem Tätermuster alle die nächsten Opfer sein könnten.

Dabei wird nicht nur im sozial schwachen Milieu gefischt: Wohlstandsverwahrlosung geht genauso gut, sagt dieser Film, und er hat recht. Und Bibi sagt unumwunden, was sie von dem ganzen Therapie-Gedöns hält: Dass es eben nix bringt, "wenn sie mit den Mädels vom Babystrich Pferde streicheln gehn", zum Beispiel, und dass da draußen "Krieg ist, ich war an der Front".

Und damit das nicht so bleischwer daherkommt, wie es wirklich ist, durchweben Buch (Uli Brée) und Regie (Wolfgang Murnberger) den Film mit diesem ganz eigenen östtereichischen schwarzen Humor, der sich zum Glück nie so richtig ernst nimmt, ohne ins komplett Klamottige eines Münster-"Tatorts" zu fallen. Am Ende gerät das zwar etwas arg konstruiert, bleibt aber bis zum Schluss stark, so wie das neue "Tatort"-Team Neuhauser und Krassnitzer.

"Vergeltung", 6.3., 20.15 Uhr, ARD

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