ANSPRACHE IM SUPERMARKT : Wieder was gelernt
Seit Neuestem stehe ich im Supermarkt und rede mit dem Fleisch. Ich traue mich das, weil das ein älterer Herr gemacht hat, und den hat keiner schief angeguckt.
„Paniert?“, fragte der ältere Herr das Fleisch. „Keins von euch paniert?“ Dann klopfte er gegen die Scheibe, zuerst zart, später verärgert. Schließlich sagte er: „Wenn du nicht paniert bist, will ich dich nicht.“ Dann drehte er sich um, nickte mir zu und ging, vermutlich zur Konkurrenz. Oder zum Tofuregal. Das weiß ich nicht, ich hab ihm nicht nachgeschaut. Ich hab aufs Fleisch geschaut und auch was gesagt. „Trau mir“, hab ich gesagt, speziell zu den Grillwürstchen. „Das wird was, auch wenn’s gar nicht so aussieht.“
Die Grillwürstchen haben mir getraut, zumindest sind sie in meinem Einkaufskorb gelandet und später im Kühlschrank. Und da blieben sie. Sie blieben da übers Wochenende, obwohl sie am Wochenende auf einem Grill hätten liegen sollen, aber es regnete mal wieder. Ich tröstete mich und die Würstchen. „Haltet durch“, sagte ich und schaute verstohlen auf ihr Mindesthaltbarkeitsdatum. „Nächstes Wochenende! Wir holen das nach!“
Aber auch dann regnete es, und ich haute die Würstchen in die Pfanne, obwohl ich Würstchen aus der Pfanne nicht mag; ich mag sie vom Grill. „Tut mir leid“, sagte ich, stand aber bald erneut vorm Fleischregal. „Diesmal wirklich“, flüsterte ich. „Versprochen!“ Die Würstchen flüsterten nicht zurück, aber die Frau neben mir schaute mich eingehend an. Ich wurde rot, griff nach der Packung mit dem „Reduziert“-Aufkleber drauf und eilte zur Kasse. Nur noch zwei Tage haltbar. Vielleicht half das dem Wetter ja auf die Sprünge.
Es half. Die Würstchen landeten auf dem Grill, ich schlang sie in Rekordzeit hinunter und kaufe seitdem nur noch reduziert. Das sieht zwar nach geizig aus, funktioniert aber prima: Reduziert vertreibt Regen. JOEY JUSCHKA