: Wieder nur Flick-Werk?
betr.: „Verpasste Chance“, „Die FDP tritt zum Großreinemachen an“, taz vom 10. 5. 00
[...] Strafe setzt zwar immer Schuld voraus, aber wo steht geschrieben, dass der Vorwurf besonders großer Schuld immer staatliche Androhung erheblicher Sanktionen zur Grundlage haben muss. Große Schuld kann sich auch aus dem Verstoß gegen ranghohe Normen ergeben, wie vorliegend gegen das Parteiengesetz als materielles Verfassungsrecht.
Der Verdacht, dass ein Staatschef unter Verletzung seines Amtseides über Jahre bestechlich war und er durch sein gegenwärtiges Verhalten diesem Tür und Tor öffnet, ist keine Quantité négligeable. Andererseits sind seine Persönlichkeitsrechte auch von verfassungsrechtlichem Rang, den der verfassungspolitische Untersuchungsausschuss beachten muss, aber nicht als Absolutum, sondern im Rahmen einer verfassungsrechtlichen Güterabwägung. Das andere Gut ist das Interesse des Staatsbürgers daran, dass ein möglicher eklatanter Verfassungsbruch nicht unter den Teppich gekehrt und letztlich der Lernfähigkeit der Demokratie eine Chance gegeben wird. Daher kann die Verwendung von Stasi-Abhörprotokollen im Laufe des verfassungspolitischen Untersuchungsverfahrens angesichts der Verschwörung des Schweigens von Kohl und Konsorten verfassungsrechtlich geradezu geboten sein.
Wer das bewusst vernachlässigt, setzt sich – wie die FPD – dem Verdacht aus, wieder nur Flick-Werk zu produzieren.
ROLAND ODERMATT, Brühl
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