Wieder eine Puppenstube: Dresdner Panoramen
Im alten Gasometer der Stadt zeigt der Künstler Yadegar Asisi Dresden im Jahr 1756. Am Image des sächsischen Touristenmagnets kratzt nur die Diskussion über die Waldschlösschenbrücke und den Rechtsradikalismus
"Da steht ein Journalist vor der Semperoper mit Kamera und schreit ins Mikrofon: Ich melde mich hier aus der Mitte des Barocks. Er ist aber umringt vom 19. Jahrhundert! Nichts, aber absolut nichts ist da barock. Ist alles überhöhtes, überformtes 19. Jahrhundert", erklärt der Künstler Yadegar Asisi zu seinem riesigen Dresdner Panoramabild im sogenannten Panometer. Im ausgedienten Gasometer Dresdens lässt er in einem monumentalen 360-Grad-Gemälde das historische Dresden von 1756 auferstehen. Die simulierte Stadtansicht im Maßstab 1:1 mit Licht und Ton erzählt mit vielen historischen Details von der damaligen Stadt und ihren Bewohnern. Auch vom Barock.
Auf einer zwölf Meter hohen Plattform in der Mitte des Rundbilds blickt man auf die Dächer und Paläste der Residenzstadt am Fluss an einem sonnigen Sommertag. Die Vögel zwitschern, die Handwerker hämmern. Der Besucher ist mittendrin in Dresden 1756 mit seinen prächtigen Palais und Kirchen, den ausgedehnten Gartenanlagen und stattlichen Bürgerhäusern entlang der Elbe. Es ist ein sinnlicher Abstecher in die Geschichte der Stadt.
Elbflorenz, die Elbresidenz des Barocks, Musik- und Theaterstadt - "Besucher aus Übersee kommen wegen Kunst und Kultur nach Dresden", sagt Matthias Gilbrich vom Stadtmarketing Dresden. Das üppige Angebot wird überstrahlt von der Semperoper. Star unter den Sehenswürdigkeiten Dresdens ist die historische Schatzkammer im Grünen Gewölbe des renovierten Stadtschlosses. August der Starke, der Imageträger auch im heutigen Dresden, hat die Kostbarkeiten als sächsischer Kurfürst von 1694 bis 1733 angehäuft. Und Hofjuwelier Johann Melchior Dinglinger formte verspielte Kostbarkeiten und Glitzerkram aus Edelsteinen, Gold und Silber - eine kokette Zurschaustellung von Reichtum und ein Einblick in die Ästhetik und Fantasien des 18.Jahrhunderts.
Nahe dem Fürstenzug an der Schlossseite zur Elbe, auf dem die Vor- und Nachfahren August des Starken auf einem Mosaik aus 24.000 Meißner Porzellanfliesen dargestellt sind, verkaufen Straßenhändler Postkarten mit Bildern der Stadt nach ihrer Zerstörung in der Bombennacht des 13. Februar 1945. Die freien Stellen in der Altstadt sind heute größtenteils verschwunden; die völlig zerstörte Frauenkirche am Neumarkt, Symbol des Wiederaufbaus, ist seit 2006 komplett wiederhergestellt. Und rund um den zerstörten Neumarkt sind die alten Barockfassaden entstanden. Dahinter schicke Wohnungen und Büros. Auf dem Platz unzählige Touristengruppen, meist im fortgeschrittenen Alter.
Dresdens Hochkultur, seine Sehenswürdigkeiten locken vor allem ein reifes Publikum. Doch so mancher potenzielle Tourist, so das Ergebnis einer Untersuchung im Auftrag des sächsischen Wirtschaftsministeriums, scheut sich vor Sachsen. Aus einer im vergangenen Jahr erstellten Analyse geht hervor, dass etwa 9 Prozent der möglichen Besucher durch Aktionen mit rechtsextremem Hintergrund abgeschreckt werden. "Natürlich sind immer wiederkehrende Berichte über rechtsextreme Übergriffe auf Ausländer imageschädigend. Das ist fatal für uns", gesteht Matthias Gilbrich. Aber eigentlich sei das bürgerliche Dresden glatzenfrei, im Alltag sei davon nichts zu merken.
Hausgemachter Diskussionsstoff ist auch der Bau der Waldschlösschenbrücke unterhalb der Traditionsbrauerei Waldschlösschen. Der Stadt soll deshalb das Unesco-Weltkulturerbe aberkannt werden. Matthias Gilbrich fürchtet dadurch keinen Touristenschwund. "Dresden steht für sich", sagt er selbstbewusst. Doch ohne den Status Weltkulturerbe sei der Schutzder Elbauen gefährdet. "Wenn man erst einmal damit anfängt, Standards zu brechen, schwinden die Skrupel. Aber nur eine nachhaltige Stadt ist zukunftsfähig", sagt Gilbrich.
Das barocke Dresden mit seinen prächtigen Palais und Kirchen, den ausgedehnten Gartenanlagen und staatlichen Bürgerhäusern kann der Besucher im Panometer in Dresden erleben. Panometer Dresden, Gasanstaltstraße 8b, 01237 Dresden, Tel. (03 51) 8 60 39 40, www.panometer.de
http://www.panometer.deDeutsches Hygienemuseum: So etwas hatte es bis dahin noch nicht gegeben, was der Dresdner Industrielle und Kämpfer für die Volksgesundheit, Karl August Lingner (1861–1916), als seinen Traum zu realisieren versuchte, aber erst nach seinem Tod umgesetzt wurde: ein Museum, in dem der Mensch gewissermassen durchsichtig gemacht wird. Neben der Dauerausstellung "Der gläserne Mensch" gibt es hier immer wieder Sonderausstellungen Lingnerplatz 3, Di.-So. 10bis 18 Uhr, Führungen Sa./So. 14 Uhr, Eintritt: 6 €, Ermäßigung für Kinder und Familien. Tel. (03 51) 84 64 00, www.dhmd.de
Was hat eigentlich Dresden mit Giacomo Casanova zu tun? Auf den Spuren von Casanova durch Dresden bei: www.blickpunkt-dresden.de
Nach der Frauenkirche, der Semperoper und dem Grünen Gewölbe im Schloss ist die Kunstsammlung im Alten Zwinger ein Besucherhit. Informationen über Sehenswürdigkeiten sowie Zimmervermittlung, Karten, Gruppenprogramme und Gästeführer kann man bei Dresden-Werbung und Tourismus Gmbh erfragen. Ostra-Allee 11, 01067 Dresden, Tel. (03 51) 4 91 92- 1 00, www.dresden-tourist.de
Dresden ist wieder eine Puppenstube. " Eine moderne allerdings", weiß Stadtführer Claus Kemmer. "Denn bei allem Kultur- und Kunsthype - Dresden ist auch die Hauptstadt Sachsens und Europas wichtigster Standort für Mikro- und Nanoelektronik." Kemmers Steckenpferd sind Giacomo-Casanova-Touren durch Dresden. Was hat Dresden mit dem Verführer zu tun? "Sehr viel", sagt Kemmer. "Seine Mutter war hier als Opernsängerin engagiert, sein Bruder war Direktor der Kunstakademie. Casanova hat sich hier häufig aufgehalten."
Kemmer führt Touristen auch durch die Dresdner Neustadt. Hier finden sich Kebabläden neben Biergärten, Trödelläden und Orientshops. Hier leben auch die meisten Ausländer, und in der Neustadt wird seit der Wende jährlich im Juni die bunte Republik gefeiert. "Ein lebendiges Gegenstück zu den Berichten über Rechtsradikale", sagt Kemmer. "Das gibt es hier eben auch."
Genauso wie viele jugendliche Besucher. Die stehen nicht vor dem Grünen Gewölbe oder vor der Frauenkirche Schlange, dafür klassenweise an der Kasse des Panometers, am Eingang uninteressiert, am Ausgang begeistert.
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