■ Wie wird man Richter Orlet los?: Aufstand der Schöffen
Das Gesetz sieht es nicht vor. Und auf nicht Vorgesehenes sind die Richter am Landgericht Mannheim nicht vorbereitet. Zwei Schöffen haben an den Präsidenten des Landgerichts Mannheim einen Brief geschrieben, in dem sie bekunden, nicht bereit zu sein, Richter Rainer Orlet, der dem Rechtsradikalen Günter Deckert seine menschliche und politische Integrität bestätigt hat, zu assistieren. Und erreichen damit, was die Öffentlichkeit nicht geschafft hat: die gesamte Konfiguration eines Gerichts durcheinander- und die Richter in die Bredouille zu bringen. Orlet zu entfernen war aus rechtlichen Gründen bislang nicht möglich. Und auch der in dieser Sache engagierte Staatsanwalt Hans-Heiko Klein sah keine Möglichkeit, eine Anklage wegen Rechtsbeugung zu verfassen. Jetzt sind die Schöffen an der Reihe.
Was macht man mit ihnen? Sie erfüllen keine der gesetzlichen Voraussetzungen des Gerichtsverfassungsgesetzes, wonach sie von ihrer Aufgabe entbunden werden könnten. Und das wollen sie auch nicht. Sie wollen die Maschine noch einmal in Gang setzen – mit Erfolg. Das Gericht kann sie von den fraglichen Verhandlungstagen nicht einfach entbinden. Das wäre nur möglich, wenn sie einen entsprechenden Antrag stellten und sich eine „Unzumutbarkeit“ darlegen ließe. Ein solcher Antrag allerdings liegt nicht vor. Sie haben nicht geäußert, daß sie an den entsprechenden Tagen indisponibel seien. Sie sagen schlicht, daß sie mit einem bestimmten Richter nicht zu Gericht sitzen werden. Das bringt das System aus den Fugen. Und noch etwas: Selbst wenn die Richter in Mannheim entgegen den Vorschriften die Schöffen an den entsprechenden Tagen von ihrer Aufgabe entpflichten, so würde die Orlet-Kammer augenblicklich mit Revisionen ihrer Urteile überzogen werden. Die Besetzung von Gerichten ist ein grundrechtlich geschütztes Gut, das nicht mal hier, mal dort geändert werden darf.
Gerade diese Aussicht, diese scheinbare Hoffnungslosigkeit der Situation, läßt die ganze Geschichte in neuem Glanze erscheinen. Nicht die Schöffen – und wir wagen hier die fröhliche Hoffnung, daß weitere dem mutigen Beispiel folgen und ihre Mitarbeit mit Orlet ebenfalls verweigern werden – sind das Problem, sondern Orlet und damit die Rechtspflege. Und hier sieht das Gesetz in Paragraph 31 des Deutschen Richtergesetzes doch eine Lösung vor, die sich die Mannheimer einmal ernsthaft zu Gemüte führen könnten: „Ein Richter auf Lebenszeit kann in den Ruhestand versetzt werden, wenn Tatsachen außerhalb seiner richterlichen Tätigkeit eine Maßnahme dieser Art zwingend gebieten, um eine schwere Beeinträchtigung der Rechtspflege abzuwenden.“ Julia Albrecht
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