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Archiv-Artikel

Wie vermarkten wir Europa?

AUS BRÜSSELDANIELA WEINGÄRTNER

Was machen eigentlich diese 25 europäischen Kommissare in Brüssel den lieben langen Tag? Keinen Schimmer? Von José Manuel Durao Barroso lange nichts gehört? Das wird sich ändern. Gestern stellte die für Öffentlichkeitsarbeit zuständige Kommissarin Margot Wallström ihren lange angekündigten „Plan D“ vor, der Europas Image verbessern und die Bürger positiver gegenüber der EU einstimmen soll. Es ist der vierte Plan dieser Art in fünf Jahren. Damit es diesmal besser klappt, ein paar Handlungsanleitungen.

1. Nicht regieren, sondern reden. „Die Gruppe für Kommunikationsplanung hat die Führungsrolle darin, mittel- und langfristige Themen zu setzen und dafür zu sorgen, dass die Informationen sich nicht widersprechen. Die Mitarbeiter, die an einem Kommissionsvorschlag arbeiten, müssen von Anfang an gleichzeitig darüber nachdenken, wie er der Öffentlichkeit vermittelt werden kann. Ein stetiger, gut getimter Nachrichtenfluss befähigt die Medien, Kommissionsinitiativen von Nachrichtenwert wirksam abzudecken und zu vermeiden, dass sich gute Geschichten überschneiden.“ So weit Plan D.

Künftig verfahren wir also nach dem Motto: Tue wenig und rede viel darüber.„Kartellkontrolle“, „Grundfreiheiten im Binnenmarkt“ – das ist doch alles überhaupt nicht sexy. Wir sollten immer erst unsere PR-Berater fragen, was bei den Leuten gut ankommt. Zu jedem politischen Projekt wird die Verkaufsstrategie parallel mit geplant. Risikoanalyse chemischer Stoffe? Genmais, Atomverhandlungen mit dem Iran? Fällt unseren PR-Agenturen nichts Originelles dazu ein, gibt es eben keine Initiative auf Gemeinschaftsebene, so einfach ist das.

2. Schluss mit dem Eurosprech. „Eurojargon ist verwirrend, kompliziert und oft elitär. Er entfremdet die Menschen und ist meist vermeidbar.“

Das wird wohl das härteste Stück Arbeit. Grünbuch, Weißbuch, Mitteilung oder Non-Paper – neue Begriffe dafür sind längst in der Pipeline. Doch wie sieht es mit der Kommitologie in der ersten Säule aus? Die GD arbeitet dran. Doch alte Gewohnheiten sind hartnäckig. Deshalb muss die Sprachoffensive gestreamlint werden. Einzelheiten dazu im nächsten Non-Paper, äh, im Nicht-Papier, Vermerk vertraulich.

3. Dem Volk aufs Maul schauen. Aus dem Plan D: „Die Kommission zielt darauf ab, ihren Bürgern besser zuzuhören. Obwohl es unrealistisch ist, mit jedem Einzelnen in einen Dialog zu treten, ist es doch möglich, Reaktionen systematischer zu erfassen. Die Forschungsabteilung der Generaldirektion Kommunikation wird ausgebaut, um die Ergebnisse von Meinungsumfragen inhaltlich auszuwerten.“

Wie kann man den Bürgern besser den Puls fühlen als mit Meinungsumfragen? Davon brauchen wir noch viel, viel mehr, damit wir überprüfen können, ob unsere Kampagnen auch Wirkung zeigen. Wenn es mal nicht geklappt hat, passen wir einfach die Politik den Erwartungen an. Laut letztem Eurobarometer denkt jeder Dritte, dass der Löwenanteil des EU-Budgets in die Verwaltungskosten fließt. Bislang fließt er zwar in die Landwirtschaft. Doch wenn wir unsere gigantische PR-Offensive umsetzen, wird sich das ändern. Dann brauchen wir nämlich jede Menge Personal und Kohle.

4. „Going local“, ab in die Provinz. „Das Kollegium wird seine Sitzungen regelmäßig in anderen Mitgliedsstaaten abhalten, um Debatten und Interesse der Öffentlichkeit anzuregen.“

Die Regierungschefs können sich den Reisezirkus bei ihren EU-Gipfeln nicht mehr leisten, die müssen arbeiten. Also packen wir die Koffer und halten unsere Kommissionssitzungen da ab, wo die Menschen sind. Heute London, morgen Paris oder Lissabon – Europa steht uns offen. Da wir ohnehin weniger arbeiten wollen, können wir noch viel mehr als bisher unterwegs sein. Warum nicht mal ein Meeting zum Thema Klimaschutz im Thüringer Wald oder in einem frisch abgefackelten Teil des spanischen Alto Tajo Nationalparks? Die Sitzung am Mittwoch, 5. Oktober, führt uns natürlich nach Istanbul. Dann kapieren die Leute besser, dass nun die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei begonnen haben.

5. Hier baut die Europäische Union. „Begünstigte, die von der EU finanziell oder in anderer Weise unterstützt werden, müssen damit einverstanden sein, dass dieser Umstand öffentlich gemacht wird. Die Kommission wird veröffentlichen, wer in den Genuss von Stipendien kommt und die Mitgliedstaaten auffordern, mit von der EU bezuschussten Projekten ebenso zu verfahren.“

Das steht ja heute schon an jeder zweiten Autobahnbrücke, zu der die passende Autobahn irgendwann nachgeliefert werden soll. Auch überdimensionierte Klärwerke und andere bauliche Scheußlichkeiten tragen meist ein dezentes Schild mit dem gelb gesprenkelten blauen Banner. Doch viel zu oft wirkt EU-Geld im Verborgenen. Erasmus-Studenten, die kein blau-gelbes T-Shirt tragen, sollte das Stipendium gekürzt werden. Bauern müssen ihre Erntefahrzeuge entsprechend umspritzen und der polnische Grenzer mit dem EU-gesponserten Nachtsicht-Gerät könnte sich mit einem fähnchengeschmückten Käppi erkenntlich zeigen.

6. Nicht regieren, sondern repräsentieren. „Die Kommissare sind das Gesicht der Kommission. Sie sind die Meinungsbildner Nummer eins. Sie persönlich werden die Presse über die Ergebnisse der Sitzungen informieren und sicherstellen, dass sie deutlich häufiger für Kommunikationsaktivitäten zur Verfügung stehen.“

Sind doch gestandene Mannsbilder, unsere Kommissare. Auch Benita sieht ganz passabel aus, wenn sie eins ihrer türkisfarbenen Kostümchen trägt. Dienstag und Mittwoch dieser Woche waren schon mal gar kein schlechter Start: Gestern stellten sich Verheugen, Barrot, Frattini und Wallström vor die Kameras. Vorgestern präsentierte Potocnik „Schlüsselzahlen der Forschungspolitik“ und McCreevy riss mit seinem Grünbuch zum Hypothekenzins das Publikum von den Sitzen.

7. Moderne Kommunikationsmittel nutzen. „Die Site Europa ist die größte öffentlich betriebene Website der Welt und eine reiche Informationsquelle. Es ist aber nötig, sie übersichtlicher zu machen, mehr Sprachen anzubieten und mit dem neuesten Stand der Technik zu arbeiten – einschließlich einer leistungsstarken Suchmaschine.“

Ein revolutionärer Gedanke. Schluss mit der kulturellen Vielfalt auf den Informationsseiten der Generaldirektionen. Bislang ließ sich aus der unterschiedlichen Nutzerfreundlichkeit ablesen, ob der Webmaster südlich oder nördlich des Weißwurstäquators sein Handwerk gelernt hat. Bis spätestens 2008 erwartet uns Information aus einem Guss.

8. Fernsehtaugliche Events gestalten. „Das Europäische Parlament prüft die Möglichkeit, einen eigenen Parlamentskanal einzurichten. Die Kommission wird die speziellen Bedürfnisse audiovisueller Medien besser berücksichtigen, wenn sie Ereignisse organisiert. Das Gleiche gilt für die Darstellung ihrer Gebäude und Symbole.“

Parlamentsfernsehen rund um die Uhr, vielleicht liest um Mitternacht Hans-Gerd Pöttering die Gutenacht-Geschichte, abwechselnd mit Martin Schulz und Daniel Cohn-Bendit. Auch die tägliche Pressekonferenz am Mittag könnte optisch interessanter werden. Großzügige Zeitverträge mit Event-Agenturen sind in Vorbereitung.

Wenn Franco Frattini das nächste Maßnahmenpaket gegen den Terrorismus vorstellt, würde sich als Kulisse das Wrack eines roten Doppeldeckerbusses anbieten, dazu Polizeisirenen und Nebelkerzen. Ein Fest der Sinne.

9. Europa muss mehr Spaß machen. „Die Möglichkeit, neue Programmformate wie Unterhaltungsserien, Spaßfernsehen, Spielshows, Filme und Reportagen zu nutzen, wird geprüft.“

Warum nicht mal ganz neue Wege gehen? Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes als böse Schwiegermutter in der Seifenoper? Anke Engelke als Alter Ego von Margot Wallström? Ab mit Barroso in den Big-Brother-Container. Oder wir schicken ihn mit der ganzen Mannschaft in den Urwald. Seine Wutausbrüche kann man hinterher rausschneiden.