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Wie ist er eigentlich, der Fan?

Die ausländischen Fußballgäste im Vergleich  ■  PRESS-SCHLAG

Noch ist die EM nicht vorbei, läßt sich ein erstes Fazit ziehen. Tausende aus den sieben fremden Teilnehmerländern haben uns besucht, vermittelten ein Bild über Sitten und Mentalitäten. Wie ist er denn, der Russe, der Engländer und die anderen?

DER DÄNE:

Seit der WM in Mexiko ist dieser Anhänger der merkwürdigen Idee des Familienfußballs ein absoluter Medienliebling. Semmelblond und den Körper in rot-weißes Textil gehüllt, steht er für alles, was man sich unter Lebensfreude vorstellt. Samt Frau und Kind und Kegel füllt der Däne alle Busse seines Landes und macht sich unter Einhaltung kompliziertesten, schwer nachvollziehbaren Trinkritualen auf den Weg. Er war daher bis zum Erbrechen (Dosenbier!) gut drauf.

DER RUSSE:

Er bleibt eine Mutmaßung. Zur Eröffnung sangen seine Kinder Kalinka, er selber blieb komplett zu Hause. Einzig RTL-Plus vermochte eine halbe Hundertschaft auszumachen, die sich dann aber doch als Trainer sowjetischer Ligavereine auf Bildungsreise herausstellte. Diese Strategie der Verweigerung von Öffentlichkeit, kongenial in der Auskunftsfreudigkeit Trainer Lobanowskis, zeigt die Führung des roten Reiches auf der Höhe aktueller Kulturtheorien, die das Imaginäre des Realen betonen.

DER IRE:

Er wurde des häufigeren Opfer sozio-kultureller Verortung, wie etwa in der 'WAZ‘: „Zur irischen Mentalität gehört es nun einmal, nicht lange nach Entschuldigungen zu suchen. Nach jahrhundertelanger Unterdrückung nimmt man Niederlagen vielleicht auch gelassener hin.“ Ummantelt von Alkohol und Katholizismus ertrugen die Iren auch solche Prüfungen noch friedlich und bewiesen einmal mehr die zähe Leidensfähigkeit ihres Volkes.

DER SPANIER:

Sauber in seine Blocks eingegrenzt, übernahm der Spanier zur allgemeinen Verblüffung eine Rolle, die eigentlich den Russen zugedacht war: Diszipliniert schwang er sein genormtes Fähnlein und erging sich analog zu Rehhagels „kontrollierter Offensive“ in einer Art „kontrollierter Euphorie“. Kein Wunder, daß die Mannschaft patzte.

DER HOLLÄNDER:

Er wollte zunächst einmal nicht überfahren werden, kleidete sich mit hysterischem Aufwand in derart leuchtendes Orange, daß er von keinem Verkehrsteilnehmer übersehen werden konnte. Dazu hupte er in Abständen von 30 Sekunden, kaum daß die Grenze überschritten war. Von Unfällen wurde nichts bekannt.

DER ENGLÄNDER:

Er war hauptsächlich angetreten, um im großen Stück über den Weg Großbritanniens in die Dritte Welt das Lumpenproletariat zu spielen. Presse, Funk und Fernsehen schrieben ihm noch das Libretto für die Rolle des Bösewichts unter dem Namen Hooligan. Er akzeptierte sie erst unter Mithilfe deutscher Schläger und dem bundesrepublikanischen Bühnenhit „Knüppel statt Kultur“.

DER ITALIENER:

Der Italiener als EM-Besucher war eher der italienstämmige Bundesbürger; und er ist längst eine Art Super-Ausländer dank Pizza, Designerlampe und Benetton. Er kam in gepflegten Limousinen, war geschmackvoll und elegant gekleidet, kurz: Er sah einfach klasse aus. Dem Image „lebensfreudiger südländischer Mensch“ folgend, ließ er volle Kanne den Tifoso raushängen und lärmte und jubelte, wann immer es möglich und unmöglich war. Zu Hause erlag der eine oder andere bei der TV-Übertragung einem Herzinfarkt.

Eindeutiger Europameister!

Christoph Biermann

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