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Wie in Abrahams Schoß

■ Wiegen, schaukeln, entspannen, schlafen: in der Hängematte

Sanft wiegend sich in vorgeburtliche Geborgenheit zurückschaukeln, liegen ohne aufzuliegen, entspannen oder schlafen wie in Abrahams Schoß – dieses Erlebnis ermöglicht eine Hängematte. Allerdings weniger das in unseren Breiten übliche Holzbügel-Modell mit der latenten Tendenz, Ruhesuchende rauszukippen. Die Indianer Mittel- und Südamerikas, die die Hängematten „erfunden“ haben, machen vor, wie's besser geht: Quer oder diagonal wird in den aus Baumwollfäden geschlungenen oder gewebten Netzen und Tüchern Platz genommen, bei denen keine sperrige Stange die Ausdehnung verhindert. So findet man die wahre Balance und schwebt annähernd waagerecht im Raum oder Garten.

Spanische Seeleute importierten dereinst die „hamacas“ nach Europa, als platzsparende Schlafstatt für Matrosen. Das Liegenetz erwies sich als so bequem, daß seine Benutzer es vorzogen, darin zu ruhen, anstatt an Bord zu schuften. Um dies zu unterbinden, wurden neuere Modelle aus groben Stricken gefertigt und mit den bekannten Holzbügeln ausgestattet.

Für die indianischen Einwohner Mittel- und Südamerikas ist die Hängematte in der Originalform auch heute noch ein universelles Wohn- und Schlafmöbel: luftig, bequem und vor Insekten und Schlangen schützend. Viele von ihnen werden darin geboren und in ihnen zur letzten Ruhe gebettet.

Zwei Unternehmen bieten mittlerweile in Hamburg Original-Hängematten an. Sie werden größtenteils von Bauern im Nebenerwerb handgefertigt und sind, zumindest nach Importeursaussagen, derart komfortabel, daß sie unter anderem als beruhigende Therapieunterstützung für Schwerstbehinderte oder als Hilfsmittel zum Lösen von Muskelverspannungen nutzbar sind. Auch fördere das Aufwachsen in und mit der Hängematte bei Babies die „körperliche Entwicklung, insbesondere der Sinnesorgane“, wie ein Prospekt verspricht.

Neben Matten aus Baumwolle mit oder ohne Häkelborte werden in Hamburg auch solche aus Palmenblatt angeboten. Außerdem gibt es verschiedene Hänge-Sessel und auch die in Deutschland gefertigten Standardmodelle mit Holzstangen. Die Größen variieren von speziellen Baby- und Kinderhängematten bis zum Familienmodell für fünf Personen. Auch Accessoires und Zubehörteile sind im Programm, beispielsweise spezielle Dübel, Haken und Seile, sowie Federn zum „noch sanfteren“ Wippen, Mosquitonetze „für die ungestörte Ruhe“, und Gestelle fürs Wohnzimmer oder den baumlosen Garten.

Da die südamerikanischen Erzeuger in der Farbwahl der knallig-bunten „Netzwerke“ freie Hand haben, kommt es dann und wann vor, daß einige der angelieferten Produkte in schwarz-rot-gold gehalten sind. Die MitarbeiterInnen des Hängemattenladens sind da jedoch ganz unpatriotisch und färben die Bundeshängematten um. Weil „den Kunden sonst immer so komische Assoziationen kommen“, begründet eine Mitarbeiterin die Schönfärberei. Florian Sievers

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