Wie erleben Sie den Klimawandel? Folge 6: Hühnerzüchter Zubair Mehmod Khan im Norden Pakistans :
Ort: der 3.118 Meter hohe Lowari-Pass im HindukuschKlimawandel: mehr Schnee, längere Winter, heißere Sommer, mehr Tauwasser und FlutenBetroffen: Hühnerzüchter Zubair Mehmod Khan
„El Niño ist für den Schnee verantwortlich“, erklärt Zubair Mehmod Khan und zeigt auf das 12 Meter hohe Schneefeld, in dem sein Hühnertransporter steckengeblieben ist. Die über 1.000 Hühner, zusammengepfercht auf fünf Etagen einer pakistanischen Käfigkonstruktion, werden Chitral nicht erreichen. Drei Wege führen in das Hochtal im Hindukusch: der natürliche Weg entlang dem Kunarfluss über Afghanistan, der für sein Poloturnier zwischen Chitral und Gilgit bekannte, 3.810 Meter hohe Shandur-Pass und der 3.118 Meter hohe Lowari-Pass, auf dem Zubair Anfang Mai seine Ladung verliert.
Zubair züchtet seine Hühner im benachbarten Distrikt Dir. Vom gewinnbringenden Verkauf in Chitral trennen ihn bis zum schneereichen Winter nur die bürokratische Hürden für eine Export- und Reimporterlaubnis über Afghanistan. „Früher kam man noch im November über den Pass und konnte sein Glück schon im April versuchen“, stöhnt Zubair. Zubairs Transporter blockiert den Pass in beide Richtungen, und ein anderer Truckfahrer erklärt, dass jede Fahrt nach Oktober und vor Juni ein Risiko ist.
Man ist schnell zur Hand, mit global-meteorologischen Pauschalisierungen in „Allahs auserwähltem Land“. Die Bezeichnung „Berg“ verdient sich eine Erhebung in Pakistan üblicherweise ab 6.000 Meter. Im Karakorum, Himalaja und Hindukusch liegen 160 Gipfel in über 7.000 Metern Höhe, davon 30 über 7.500 Metern – und alle mit Eis und Schnee bedeckt. Das Schmelzwasser dieser Eismassen stellt 80 Prozent des Wasservorkommens des Indus, von dem 65 Prozent der pakistanischen Landwirtschaft abhängen.
„Wir sehen uns einer Anzahl von Unsicherheiten gegenüber, weil die Gletscher schneller schmelzen“, sagt Qamaruz Zaman Chaudhry, Generaldirektor des staatlichen Meteorologischen Amtes. Er prognostiziert häufigere Fluten, Trockenperioden und Hungersnöte in den kommenden 20 bis 25 Jahren. Die größte Gefahr gehe von den Gletscherseen aus, die das Wasser so lange ansammeln, bis es sich in einer Springflut entlädt.
Die Fluten gefährden in den Ebenen Pakistans auch wertvolle Kulturgüter. Zudem führen fehlende Konzepte des Zivilschutzes danach zu Malaria- und Dengue-Fieber-Epidemien, da sich die übertragenden Moskitos in den überfluteten Landstrichen ungehindert vermehren können.
Die andere Seite der Gletscherschmelze ist der steigende Meeresspiegel. Pakistan hat große Mangrovenhaine, in denen für den Export Schalentiere und Fische gezüchtet werden. Die Mangroven sterben allmählich – vor allem wegen Umweltverschmutzung. Premierminister Shaukat Aziz hat deshalb im Dezember 2005 bereits eine nationale Initiative zur Ernährungssicherheit ausgerufen. Er sieht die Lösung für das Mangrovensterben in von der Weltbank finanzierten Großstaudämmen und Kanalsystemen.
Die globale Erwärmung stellt für Pakistan eine Herausforderung dar, der das Land nicht gewachsen ist. Jedoch könnte die Gletscherschmelze auch etwas Positives haben: Indien und Pakistan leisten sich auf dem Siachen-Gletscher das welthöchste Schlachtfeld. Es geht angeblich um die umstrittene Region Kaschmir, die auf bis zu über 6.000 Metern hohen Posten verteidigt wird. Das kostet pro Tag geschätzte 1 Million Dollar für Verpflegung, Unterbringung und Entschädigungen für Erfrierungen und Kältetod. Mit der Gletscherschmelze im Himalaja könnte Pakistans Militärmachthaber, Präsident General Pervez Musharraf, ein Schlachtfeld unter den Füßen wegschmelzen. Sozusagen „den Bach runtergehen“. Tauwetter wäre also zumindest politisch vorteilhaft für die Region. NILS ROSEMANN