: Wie einem der Schnabel gewachsen ist
■ Selbst zweisprachig aufgewachsene Kinder müssen ihr Hirn besonders anstrengen
Erwachsene müssen sich ganz schön anstrengen, um eine fremde Sprache zu lernen. Die ungewohnte Aussprache bekommen manche gleich gar nicht mehr in den Griff. Dagegen sieht es so aus, als ob zweisprachig aufgewachsene Kinder ganz von selbst die zweite Sprache erlernen und sich später mühelos und akzentfrei darin ausdrücken können. Aber so ganz leicht fällt es auch ihnen offenbar nicht. Selbst sie strengen sich beim Sprechen der Zweitsprache etwas mehr an, fanden zwei Neuropsychologinnen aus dem zweisprachigen Teil von Kanada, der Provinz Quebec, heraus: Eine kleine Region im Endhirn, Putamen genannt, ist stärker aktiviert als beim Sprechen der Muttersprache.
Die Neuropsychologinnen Brenda Milner und Denise Klein von der McGill-Universität in Montreal machten die Entdeckung, während sie untersuchten, wie Sprachaufgaben verschiedene Bereiche des Gehirns aktivierten. Die Testpersonen waren ausnahmslos englischsprachig, hatten jedoch bereits mit spätestens sieben Jahren Französisch gelernt. Während der Sprachaufgaben: Wörter wiederholen, ein Synonym aussprechen oder das Wort übersetzen, wurde mit Hilfe eines Positronen-Emissionstomographen der Blutfluß im Gehirn beobachtet und daraus ermittelt, welche Regionen besonders aktiv waren.
Sowohl bei den englischen als auch bei den französischen Testaufgaben zeigten sich nahezu gleiche Aktivierungsmuster, bis auf eine kleine Region im Endhirn: Immer wenn die Antwort auf französisch gegeben werden mußte, leuchtete das linke Putamen auf. Wenn aber die Testpersonen in ihrer Muttersprache antworteten, war in dieser Region keine Aktivität meßbar. Milner folgert daraus, daß selbst Personen, die sehr früh eine zweite Sprache gelernt hatten, eine Extrakontrolle aufwenden müssen, um sich darin auszudrücken.
Milner plant jetzt weitere Versuchsreihen, zunächst mit Personen, die mit Französisch aufgewachsen sind und später erst Englisch lernten. Interessant wäre auch, andere Sprachgruppen, beispielsweise Chinesisch, hinzuzunehmen, um sicherzugehen, daß dieses Phänomen auch bei anderen Sprachen auftritt. Antonia Rötger
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