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Wie du und ich

■ Heute abend: Bettina Hirschberg

Bettina Hirschberg, singende Poetin und komponierende Pianistin, hat manches zu bieten. Bloß eines nicht: Heiterkeit und leichte Muse. Die mit dem Kleinkunstpreis des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnete Künstlerin wollte schon mit knapp zehn Jahren eine Oper komponieren. Der Versuch mißlang, obwohl der Titel schon feststand: Suleika sollte das Frühwerk heißen.

Bereits in der Vorpubertät hatten es ihr die Frauengestalten angetan. Jetzt, mehr als 20 Jahre später, singt sie immer noch hauptsächlich von ihren Geschlechtsgenossinnen, doch die Weiber sind keine historischen Figuren mehr, sondern Frauen wie du und ich. Sprachlich zielsicher und poetisch ohne Überschwang, singt die studierte Philologin von lebenslang unterdrückten Wünschen und Sehnsüchten, verpaßten Gelegenheiten, ungeliebt zerronnener Zeit und den üblichen Rollenlügen — »In manchen Nächten fällt die Maske von der Wand...«

Das ist die eine Seite der Bettina Hirschberg. Die andere, nicht weniger schattige, sind ihre Gedichtvertonungen »verbrannter Dichter«. Anlaß dieser Arbeit mit Texten junger Poeten, deren Bücher 1933 verbrannt wurden, sind die gegenwärtigen Folgen von Fremdenhaß und verschärftem Asylrecht. Die mit außerordentlichem Einfühlungsvermögen vertonten Gedichte von Mascha Kaleko, Louis Fürnberg oder Theodor Kramer verdeutlichen nicht nur, was damals für »deutsche Asylbewerber« die Zuflucht im Ausland bedeutete, sie weisen auch auf die Problematik der stummen Isolation von LiteratInnen im fremdsprachigen Ausland hin.

Bettina Hirschberg musikalisch dingfest zu machen ist unmöglich. In ihren Kompositionen bedient sie sich geschickt aller verfügbaren Elemente, bewegt sich zwischen den Fronten von Rock und Klassik, Blues und Jazz. Dabei liefert sie einen weiteren Beweis dafür, daß die Trennung von U- und E-Musik eines der grundlegendsten Mißverständnisse unserer Kultur ist. Ihre Stimme, die sie gegen das Vergessen erhebt, gegen unausgelebte Leidenschaften und gedämpfte Vitalität, sprengt ebenso den Rahmen wie ihr Pianospiel. Leicht brüchig, aber höchst präsent klingt sie, verraucht-verrucht oder naiv-trällernd, wie eine Frau am Rande der Unberechenbarkei — deren Stimme das Weite sucht. Anna-Bianca Krause

Bettina Hirschberg: In manchen Nächten : heute, 20 Uhr, Haus am Köllnischen Park, Mitte.

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