Wie US-Behörden Facebook nutzen: Eigene Abteilung zum Schnüffeln
US-Heimatschutz- und Einwanderungsbeamte überwachten gezielt Facebook, Twitter und andere Netze. Das zeigen Papiere, die Bürgerrechtler herausklagten.
Wenn Datenschützer Internet-Nutzern raten, mit ihren Daten in sozialen Netzwerken wie MySpace oder Facebook äußerst sparsam umzugehen, gelten sie oft als Spaßverderber. "Passiert schon nichts", heißt es dann gerne, oder auch: "Wer interessiert sich schon für meine Informationen?" Eine mögliche Antwort auf letztere Frage kann nun in den USA zweifelsfrei gegeben werden: Mehrere dortige Exekutivbehörden des Staates sind sehr an freigiebigen Social Networking-Junkies interessiert und nutzen deren Offenheit für ihre tägliche Arbeit.
Wie so etwas konkret ausschaut, hat nun die amerikanische Netzbürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) aufgedeckt: Sie klagte unter Berufung auf das US-Informationsfreiheitsgesetz Dokumente aus den Beständen des Heimatschutzministeriums und der Einwanderungsbehörde heraus. Daraus ergibt sich, dass die Beamten sich schon seit mehreren Jahren zunehmend intensiv damit beschäftigen, was die Bürger im Netz so alles an Datenhäppchen hinterlassen. Dabei geht es um die direkte wie präventive Verfolgung von Straftaten ebenso wie um Background-Überprüfungen von "Personen von Interesse".
Laut den Dokumenten haben die Beamten im Heimatschutzministerium mittlerweile extra eine eigene Sektion zum Schnüffeln fürs Internet gegründet. Sie soll bereits zur Obama-Amtseinführung im Januar 2009 arbeitsbereit gewesen sein, um 24 Stunden am Tag nach möglichen Bedrohungen zu forschen. Das //www.eff.org/files/filenode/social_network/DHS_SNMC_Inauguration_monitoring.pdf:Social Networking Monitoring Center, kurz SNMC, suchte während dieser Zeit nach "interessanten Inhalten" - und tut das, so vermutet die EFF, wohl bei anderen Großveranstaltungen noch immer.
Auf der Liste der Abteilung standen im Januar 2009 fast alle großen Namen des Web 2.0 - Netze wie Twitter, Facebook, MySpace und Friendster, Fotodienste wie Flickr, das Online-Lexikon Wikipedia oder der Kleinanzeigendienst Craigslist. Man wolle bei der Aktion aber persönlich identifizierbare Daten "minimieren", heißt es in den Vorgaben.
Bei der Einwanderungsbehörde wiederum hat man soziale Netzwerke als //www.eff.org/files/filenode/social_network/DHS_CustomsImmigration_SocialNetworking.pdf:Recherchemedium zum Aufdecken von Scheinehen und anderen Delikten entdeckt, die Neulinge in dem Land begehen könnten. Dabei nutzen die Beamten das egozentrierte Verhalten der User geschickt aus, wie es in einem Dokument wortwörtlich heißt. "Narzisstische Tendenzen bei vielen Menschen führen zu einem Bedürfnis, möglichst viele "Freunde" zu haben, die sich mit ihren Seiten vernetzen.
Viele Nutzer würden deshalb Freundesanfragen von Menschen akzeptieren, die sie nicht kennen. Dies sei ein hervorragender Ausgangspunkt für Ermittlungen, "um das tägliche Leben von Anspruchsberechtigten und Antragstellern zu beobachten, denen betrügerische Aktivitäten zur Last gelegt werden". Heißt übersetzt: Beamte könnten sich als neue Bezugspersonen bei Facebook ausgeben, um dann an mehr Daten heranzukommen - in diesem und anderen sozialen Netzwerken lässt sich vor einmal angenommenen "Freunden" ohne recht komplizierte Änderung der Privatsphäreneinstellungen nämlich nur wenig verbergen.
Die Einwanderungsbehörde nimmt die im Netz verfügbaren Profile laut EFF übrigens fast immer für bare Münze - auch wenn sie möglicherweise nicht mit dem aktuellen, realen Leben einer Zielperson übereinstimmen. "Unglücklicherweise zeigt eines der Memos, dass auch übertriebene, eigentlich harmlose oder schlicht alte Kommentare in einer Status-Botschaft dazu führen können, dass es zu einer vollständigen Untersuchung des Staatsbürgerschaftsstatus kommt."
Da kann man eigentlich nur den offiziellen Geschäftsbedingungen etwa von Facebook folgen, in denen explizit steht, man solle sein Profil stets aktuell und korrekt halten - schon damit Regierungsbeamte in Anti-Scheinehen-Mission nicht auf falsche Gedanken kommen, wenn der Partnerschaftsstatus nicht mehr stimmen sollte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers