Wie Investoren ProSiebenSat.1 ruinieren: Auf Kaperfahrt
Die Finanzinvestoren von KKR und Permira melken Sendergruppe ProSiebenSat.1 erbarmungslos - und liefern so ein Lehrstück darüber, wie man TV-Sender ruiniert.
BERLIN taz Das Böse in Gestalt von Finanzinvestoren im Medienbereich hat in Deutschland einen Namen: David Montgomery. Der schlachte die Berliner Zeitung nebst angeschlossenen Organen aus und schere sich einen Dreck um die inhaltliche Qualität, so die landläufige Meinung. Doch Montgomery ist ein kleiner Fisch. Die wahren Profis sind in München am Werk: Die nicht mehr ganz so neuen Besitzer von ProSiebenSat.1 melken die TV-Fabrik erbarmungslos und liefern so unfreiwillig ein Lehrstück, wie man seine Sender ruiniert.
Immerhin um die eine Hälfte des deutschen Privatfernsehens: die Sender ProSieben, Sat.1, Kabel 1, N 24 und 9live. Sie bilden den Kern der ProSiebenSat.1 Media AG, die 2006 vom damaligen Besitzer Haim Saban für fast 3 Milliarden Euro an die Finanzinvestoren Permira und KKR verkauft wurde. Saban selbst hatte die Sendergruppe für schlappe 525 Millionen Euro erworben.
Natürlich bezahlen auch Private-Equity-Häuser wie KKR und Permira Milliardensummen nicht aus der Portokasse, sondern nehmen dafür Kredite auf. Die Rückzahlung nebst Zinsen wird dem frisch gekauften Unternehmen aufgebürdet und sollte idealerweise peu à peu aus dem laufenden Geschäft erfolgen. Doch das lief schon 2007 für ProSiebenSat.1 nicht so gut: 120 Millionen Euro Strafe musste die Senderholding allein für unsaubere Methoden im Handel mit TV-Werbespots ans Kartellamt zahlen.
Das wäre noch gut zu verkraften gewesen, doch KKR und Permira hatten mit ihrer deutschen Gruppe noch mehr vor. Die Investoren hatten 2005 die Mehrheit an der paneuropäische Sendergruppe SBS für rund 1,7 Milliarden Euro übernommen. Im Sommer 2007 wurde SBS weiterverkauft - an ProSiebenSat.1. Dass dort wohl die meisten Vorstände dagegen waren, focht die Besitzer nicht an. Schließlich zahlte ProSiebenSat.1 satte 3,3 Milliarden Euro für den SBS-Spaß - 1,6 Milliarden Euro mehr, als KKR/Permira gerade mal 24 Monate zuvor dafür auf den Tisch gelegt hatten. Und so sank der ProSieben-Sat.1-Gewinn von 240,7 Millionen Euro (2006) auf 89,4 Millionen Euro 2007. Gleichzeitig explodierten die Schulden dank der SBS-Übernahme: von 122 Millionen auf über 3 Milliarden Euro. Trotzdem genehmigten sich KKR und Permira eine üppig erhöhte Dividendenerhöhung.
2008: Die Aussichten
ProSiebenSat.1-Vorstandschef Guillaume de Posch blieb trotz allem optimistisch: "Wir haben viel finanziellen Spielraum", hieß es noch Anfang März bei der Präsentation der AG-Jahresbilanz. Von 2010 an sollten durch die Integration der SBS-Gruppe mit ihren Sendern in den Niederlanden, Skandinavien und Osteuropa pro Jahr 80 bis 90 Millionen Euro an Synergieeffekten eingespart werden. Umsatz und Gewinn sollten weiter steigen.
2008: Die Realität
Tatsächlich ist die AG im ersten Quartal 2008 in die roten Zahlen gerutscht. Vor Steuern machte ProSiebenSat.1 nach eigenen Angaben 8,5 Millionen Euro Verlust. Das ursprünglich vorgesehene Budget für 2008 wird um 70 Millionen Euro zusammengestrichen - und gespart wird bei den ohnehin ausgelaugten Sendern natürlich auch am Programm. Dabei hat ProSieben nur noch wenige echte Zugpferde: Stefan Raab steht (fast) allein auf weiter Flur. Und "UnSchuldig", die Krimi-Serie mit Alexandra Neldel, sorgt bei ProSieben zwar für solide Quoten, aber keine Höhenflüge. Bei Sat.1 sorgt höchstens Hugo Egon Balder noch für gute Laune. Entsprechend wurde Anfang dieser Woche hektisch die Führungsstruktur der Senderfamilie umgebaut.
Der Sündenbock …
… sitzt derweil in Berlin und heißt Sat.1: Die Quotenschwäche des früheren TV-Flaggschiffs Ende 2007 hätte die Zahlen verhunzt, so de Posch. Auch wenn der Marktanteil jetzt besser ist, musste der Sender das letzte bisschen eigener Macht an die Münchner Konzernzentrale abgeben. Die Börse überzeugte die Verteidigungsstrategie des Konzernchefs weniger: Der Kurs brach Ende April heftig ein, der gesamte Konzern ist aktuell nur noch 2,25 Milliarden Euro wert. Nun soll die "Nutzung des existierenden Programmvermögens" optimiert werden - in der TV-Branche üblicherweise ein höflicher Ausdruck für noch mehr Wiederholungen und Billigformate. Doch dass man so mehr Zuschauer und damit wieder mehr Werbekunden lockt, glaubt wohl niemand ernsthaft.
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