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Wie Europa sich abschottetDie tödliche Flucht aus Afrika

Jedes Jahr machen sich Zehntausende hochgebildete junge Afrikaner auf den Weg nach Europa. Falls ein Fluchtweg funktioniert, macht ihn die EU kurz darauf dicht. Viele ertrinken im Mittelmeer.

Vergebliche Flucht mit dem Boot: Das italienische Militär führt im Mai illegale Einwanderer ab. Bild: reuters

Das Schicksal von Georges N. ist kein Einzelfall. Vor allem diplomierte junge Afrikaner, die in der Heimat für sich keine Chance sehen, machen sich jedes Jahr zu Zehntausenden auf den Weg, um in Europa ihr Glück zu versuchen. Die EU verweigert ihnen in der Regel die Einreise, so dass nur der Weg in die Illegalität bleibt.

Patrouillen der EU-Grenzagentur Frontex im Atlantik versperren den Seeweg aus Westafrika auf die zu Spanien gehörenden Kanarischen Inseln, seitdem dort 2006 mit 31.687 Landungen Rekordniveau erreicht wurde.

Die spanischen Exklaven in Nordafrika, Ceuta und Melilla, wurden hermetisch abgeriegelt, nachdem im Jahr 2005 Flüchtlinge beim Versuch, die Zäune zu überwinden, von Spaniens Polizei erschossen worden waren.

Im Mittelmeer, wo die Route von Libyen nach Lampedusa zur neuen Hauptroute für Bootsflüchtlinge geworden ist, mit über 33.000 Landungen im Jahr 2008, sorgen Italien und Libyen gemeinsam für die Abwehr.

Zunehmend verlassen sich EU-Staaten darauf, dass afrikanische Staaten selbst die Migration verhindern. In Algerien ist "illegale Ausreise" ein Straftatbestand. Libyen hat ein System von Abschiebelagern in der Wüste für Migranten eingerichtet. Ausgerechnet in Libyen tagt seit gestern der Jahresgipfel der Afrikanischen Union (AU). Amnesty International und Pro Asyl nennen die europäische Flüchtlingsabwehrpolitik völkerrechtswidrig.

Jedes Jahr sterben tausende Afrikaner beim Versuch der Migration nach Europa. Die Zahl der Bootsunglücke sinkt mit der zunehmenden Abschottung: In den ersten vier Monaten 2009 starben nach amtlichen europäischen Angaben 340 Afrikaner auf dem Seeweg von Libyen nach Italien, im Vorjahreszeitraum waren es 640.

Anfang dieser Woche wurden sieben Leichen von Bootsflüchtlingen an der südspanischen Küste angespült. Die Zahl der auf dem Weg durch die afrikanische Wüste Umgekommenen ist unbekannt.

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2 Kommentare

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  • E
    Eisvogel

    Der in der taz veröffentlichten Bericht über einen Migrationsversuch hat einen "Schönheitsfehler".

     

    "Europa" tut hier nur eines: nämlich die Einreise in EU-Staaten beschränken.

     

    Alle anderen geschilderten Erlebnisse gehen aus von: afrikanischen Progrom-Mobs, Milizen, Menschenschleusern, Bürgerkriegssöldnern, libyschen Polizisten und Grenzern sowie Kriminellen.

     

    Daraus den Schluss zu ziehen, das Problem würde sich lösen wenn Europa aufschliessen würde, ist mit Verlaub: lächerlich.

     

    Braucht Europa diese Menschen, kann es ihnen wirklich einen Platz anbieten? So vielen? Und braucht Afrika einen Brain&Muscle-drain?

  • LI
    Laszlo I. Kish

    Was leider immer noch zuwenig Beachtung findet, ist das Schicksal von den schwarzafrikanischen Migranten, die in den maghrebinischen Staaten oft allein auf Grund ihrer Hautfarbe mit stillschweigendem Einverständnis von uns in die Wüste deportiert werden.

    Ich habe letztes Jahr in Mali eine Gruppe von Flüchtlingen kennengelernt, die den Wochen dauernden, oft tödlichen Rückmarsch durch die Wüste geschafft haben. Jetzt stecken sie fest. Sie kommen nicht vorwärts, sie kommen nicht rückwärts und ein menschenwürdiges Leben ist ihnen als Ausländern in Mali nicht vergönnt. Sie leben im wahrsten Sinne des Wortes von der Hand in den Mund.

    Wer mehr über sie erfahren mag, kann sich auf aracem.canalblog.com informieren, oder mich kontaktieren. Spenden sind dringend nötig.