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Wie Bremen „Stadt am Fluß“ blieb

■ Geschichte zum Anfassen: Modelle der Weser-Korrektion kamen zurück

Hartmut Roder, Leiter der Abteilung Handelskunde im Überssemuseum, kann sich in Begeisterung reden. „Da kommt nichts in die Vitrine oder auf eine Tafel“, verspricht er, „die Geschichte Bremens als Handelsstadt am Fluß wird auf 1000 Quadratmetern richtig nachgebaut - zum Anfassen.“ Er zeigt im Lichthof des Überseemuseums nach oben - da wo jetzt noch die Plastikplane die Baustelle abtrennt, soll alles 1996 fertig sein.

Unten stand gestern eine große Transportkiste. Absender: Deutsches Museum München. Im Austausch gegen bremische Modelle von Segelschiffen hat das Deutsche Museum aus dem Magazin Saugbagger, Dampfprahm und Steinkähne geholt. Wie großes Spielzeug steht das da, zwischen 50 und 80 Zentimetern lang sind die Modelle und zeigen, mit welchem Werkzeug um die Jahrhundertwende die Weser ausgebaggert und „korrigiert“ wurde. Die wertvollen Stücke sollen demnächst in der Dauerausstellung „Handelsstadt am Fluß“ zu sehen sein - denn ohne sie wäre Bremen heute keine Handelsstadt mehr und womöglich überhaupt keine Stadt am Fluß.

Die Ausstellung soll die geschichtliche Entwicklung sinnlich nachvollziehbar machen: „Es beginnt mit der Idylle“, sagt Hartmut Roder, „richtige Elche“ werden da herumstehen, bei der Ausbaggerung hatte man um die Jahrhundertwende auch eine alte Kogge gefunden und ein Auerochsenskelett. Man geht über die Weser - aus Linoleum nachgebildet. Dann wechselt die Szene am Ufer - Spundwände tauchen auf: „Der industrialisierte Fluß kommt.“ Wo später die AG „Weser“-Werft gebaut wurde, schlängelte sich Ende noch des 19. Jahrhunderts gemächlich noch die Weser - und versandete, weil die Abholzungen zur Bodenerosion geführt hatten.

1612 hatten die Kaufleute in Vegesack noch einen neuen Anleger gebaut - dort legten tiefere Schiffe an, Kisten und Säcke wurden umgeladen und in die Speicher an der Schlachte gebracht. Als für die Übersee-Schiffe im 19. Jahrhundert auch dort die Wassertiefe nicht mehr ausreichte, wurde Bremerhaven gegründet. An der heutigen Stephani-Brücke hatte die Weser einen Tiefgang von nur 20 Zentimetern. Aber die Bremer Kaufleute wollten Bremen als Handelsstadt nicht aufgeben und wagten Ende des 19. Jahrhunderts, was bis dahin nirgends gewagt worden war: Auf 60 Kilometer Länge wurde ein Fluß so ausgebaggert und begradigt in der Hoffnung, die Fließgeschwindigkeit würde bei Ebbe immer wieder die Ablagerungen mitreißen. „Das war ein Novum“, sagt Hartmut Roder, ab 1996 wird man diese Geschichte Bremens bis hin zu einer echten Eimerbagger-Schaufel im Überseemuseum im wörtlichen Sinne begreifen können - bis hin zu der Badekabine, in der Postkarten vom Badevergnügen am Weserstrand künden.

Das Deutsche Museum fand die Weser-Korrektion so außergewöhnlich, daß sie die Modelle der Schiffe bauen ließen, um damit eine Ausstellung über die ungewöhnliche Entstehung des „südlichsten Seehafens“ Deutschlands zu bestücken. Im 2. Weltkriege waren die Modelle in einem Bergwerk untergebracht, danach galten sie lange als verschollen. Das Versprechen, daß sie endlich wieder gezeigt werden sollen, veranlaßte das Deutsche Museum , seine Schätze aus dem Magazin freizugeben.

. K.W.

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