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■ Wider die Rente zum TodeJurassic Park am Stadtrand?

When I'm sixty-four: Der Gedanke daran hat sich in unserer Gesellschaft auf einen Begriff verkürzt – die Rente. Was die einzelne damit verbindet, reicht vom Winter auf Mallorca bis zur Wärmestube am Bahnhof, von Weihnachten im Kreise der glücklichen Großfamilie bis zur einsamen Schnapskur am Heiligen Abend. Eine repräsentative Kurzumfrage in dieser Zeitung allerdings ergab, daß der idealtypische Rentenzustand des Jahres 2000 auf keinerlei Gegenliebe stößt: Dem typischen Pensionär wird in einem städtischen oder kirchlichen Seniorenheim vom überforderten Pflegepersonal (eine Thailänderin mit Duldungsrecht, die bald von einer nigerianischen Kollegin abgelöst wird) erst der Rücken gewaschen, dann das Mittagessen serviert und schließlich das Deckenlicht gelöscht; einmal in der Woche verschreibt der eilige Arzt auf Heimbesuch flächendeckend Schlaf- und Beruhigungsmittel. Der typische Pensionär verzehrt seine Tage in passiver Melancholie, deren Unproduktivität allein durch konsumatorische Leistungen unterbrochen wird. Sozial gefragt darf er sich während des Vorabendprogramms fühlen, wenn seine pekuniären Möglichkeiten bei Werbung für Diätmarmelade, cholesterinfreie Margarine und Busreisen nach Dresden im Mittelpunkt stehen.

Aber nicht doch, das darf nicht passieren!, antworten alle Gefragten. Das Modell „Golden Girls“, das kleine private Altenheim in Selbstverwaltung (zehn Freundinnen leisten sich eine Haushälterin, eine Köchin und eine festangestellte Pflegerin) scheint die einzig vernünftige Alternative zur sozialstaatlichen Körperschaftsverwaltung, weil es die Würde der einzelnen garantiert, anstatt sie zu infantilisieren. Ob die hierfür nötigen Finanzleistungen der klassischen Beitragszahlung entstammen oder durch Bundeszuschüsse ersetzt oder aufgebessert werden, ist dafür völlig unerheblich – grundlegend ist die solidarische Leistung der Gesamtgesellschaft, die das Alter nicht zur Almosenzeit herunterreglementiert.

Eine Grundrente in angemessener Höhe wäre allerdings nur das, was die Politiker eine Sockellösung nennen: Entscheidend ist, wie im Bereich der Arbeitszeit beziehungsweise Arbeitslosigkeit, eine gesellschaftliche Umwertung. Wo Individuen sich nahezu ausschließlich, nämlich sozial und psychologisch, über Lohnarbeit definieren, werden die Parias immer mehr: Arbeitslose, Hausfrauen, Jugendliche, Alte. Ob sich diese Gruppen dem asozialen Konsens der Wachstumsproduktion beugen oder nicht, hängt von Faktoren ab, die sehr viel schwerer zu bestimmen – und zu ändern – sind als jene, um die es auch bei der Rente geht: Wie kann die Gesellschaft Fähigkeiten ihrer Mitglieder für sich nutzen, die durch das Raster Lohnarbeit nicht erfaßt werden?

Politiker und Wirtschaftsbosse entgehen dem Rentenschicksal durch Vortragsreisen, Vorstandsmitgliedschaften und Arbeitsbeschaffungsprogramme wie die Treuhand – das Patriarchat sorgt zuverlässig und komfortabel für sich selbst. Alle anderen müssen einklagen, daß ihre Kompetenzen nicht im Entsorgungspark Rente verschwinden. Wer bis zum 60. Lebensjahr keinerlei Erfahrung mit Selbstverwaltung und gesellschaftspolitischem Engagement gemacht hat, kann dann noch getrost damit anfangen: Das Alter sollte eine zweite Chance sein, Arbeit und Person zu einem Leben zu fügen. Elke Schmitter

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