What's hot, what's not: Der Geist von Tibet (wie das knurrt!)
■ Was Diäthalten mit spirituellen Welten zu tun hat und mit Blondheit: Geschmack in und um Hollywood herum
In einem früheren Leben war ich eine ägyptische Königin. Ich wußte, wie die Pyramiden gebaut wurden, und besonders – was sie bedeuteten. Aber ich verrate es keinem. Ich würde ja ganze Wissenschaften, größte Wagnisse der Deutung, wie man sie gerade im Film antrifft, überflüssig machen. Denken Sie an die „Aliens“- Filme! An das Universum! Martin Scorsese zum Beispiel wendet sich in seinem neuen Projekt, „Kundun“, der spirituellen Seite des Daseins – sagt man nicht so? – zu. Der Regisseur unserer Lieblingsfilme „Taxi Driver“ und „Casino“ will uns gewiß etwas kundtun, indem er über das Leben des vierzehnten Dalai Lama meditiert. Schon sandte Scorseses Filmfirma tibetanisch inspirierte Gaben (weißglänzende Seide?) an unsere bescheidene Adresse, doch wir sind nicht bestechlich! Jedenfalls tun wir es nicht unter einer Handvoll Brillanten.
Also Martin, paß auf: Alle Psychoanalyse der Welt hat nicht ausgereicht, um die unerfreulichen Eindrücke, die „Der letzte Kaiser“, „Der Himmel über der Wüste“ und „Auf der Suche nach dem goldenen Kind“ in uns hinterließen, zu verarbeiten. Außerdem: Joe Pesci in tibetanischen Roben – das läßt sich nun wirklich schwer vorstellen. Erste Worte aus dem Munde des Großen Vorsitzenden Scorsese lassen Böses ahnen: „China denkt über Freiheit ganz anders als wir, es ist eine ganz andere Philosophie und Kultur. Sie sind da sehr verbissen.“ Danke, Herr Professor! Vielleicht ist es aber auch nur so, daß das Denken in seiner reinsten Form die vollständige Geistlosigkeit als Vorstufe unabdingbar benötigt.
Apropos Geistlosigkeit. Brad Pitt, liebe Leser, erscheint demnächst als Himalaja-Besteiger Heinrich Harrer (wie das knurrt!) in „Sieben Jahre in Tibet“. Ich habe diverse neueste Fotos, made in USA, haargenau studiert und frage mich, was daraus werden soll, wenn eine Milchnase einen spirituell geläuterten Übermenschen spielt. Blondes Vergessen? Hoffentlich wird kein Trend draus, wie bei den Aliens.
Sprache ist Macht, was uns gefällt: Francis Ford Coppola verfilmt John Grishams überaus langweiligen Roman „Der Regenmacher“. „Ich war von der Zusammenarbeit mit Francis enttäuscht“, äußerte Danny DeVito, der im „Regenmacher“ eine Barfly spielt. „Ich dachte, wir würden jeden Tag zusammen Pasta kochen, aber ER war auf Diät, und ich mußte deswegen Mohrrüben essen.“ Das saß! Über Coppola und seinen „Regenmacher“ ist somit wohl alles gesagt. Mit wenigen Worten viel ausdrücken – das geht auch so: „Danke für das hübsche kleine Armband!“ Es war, nur nebenbei bemerkt, vollständig aus Brillanten („Gentlemen marry brunettes“).
Gerade schlage ich das Dezemberheft (tja, Luftpost) von Premiere zu, und was erblicke ich auf der hinteren Umschlagseite? Einen schweren Fall von Mißbrauch, nämlich Alfred Hitchcock, wie er für Apple Computer streng geheim hinter einer Mauer vorlugen und „Think different!“ hüsteln muß. Sind Apple Computer nicht schon tot? Alfred Hitchcock ist auf jeden Fall tot, wenn sein Geist auch nicht in Frieden ruhen darf. Vielleicht gibt es ja doch eine Welt, hoch über den Wolken von Tibet, einen hochvergeistigten Ort, wo alles Verblichene sich versammelt, um mit Brad Pitt und all den inneren Kindern deutsche Volkstänze aufzuführen und weiße Seidentücher zu bemalen. Ich persönlich möchte aber noch nicht tot sein, denn dann könnte mich ja jedes untergehende Schiff einfach so auf seinen Bug heften. Und das schickt sich nicht für eine ehemalige ägyptische Königin. Anke Westphal
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