What's hot, what's not: Bondage mit Mr. Q
■ Wie James Bond endlich geschlagen wird: Geschmack in und um Hollywood herum
Haben auch Sie es gesehen? Kürzlich saß Pierce „Bond“ Brosnan bei Jay Leno herum, nichtsahnend und sehr schlecht gelaunt. Auch Leno war schlecht gelaunt, weil er seine Begegnung mit den Spice Girls (übrigens die fetteste Girlgroup der Welt) noch nicht verkraftet hatte. Da es im Rahmen einer Depression manchmal hilft, kräftig nach der einen Seite zu zicken und der anderen eine große Freude zu machen, hatte Jay „das Kinn“ Leno Mr. Q eingeladen. Den originalen Mr. Q wohlgemerkt (Desmond Llewelyn), der 007 und die Bond-Gemeinde in jedem Bond-Film mit einem neuen Bastelsatz Wunderwaffen erfreut, weswegen unsereins sich auch auf den neuen Bond herzlich freut: Mag der Film „Der Morgen stirbt nie“ auch noch so ein Scheiß sein, so wird er doch ein bunter, rumpelnder und knallender Scheiß sein, unterhaltsam und technisch bildend zugleich, was mehr ist, als man von anderen Angeboten der Freizeitindustrie jemals behaupten wird.
Mr. Q ist jetzt 83 Jahre alt und wollte diese unwesentliche Tatsache bei Jay Leno zuerst herunterspielen – als ob er das nötig hätte, dieses Bild von einem reifen Mann! Dem jungen Pierce brachte Q spiogentenmäßig entwicklungsfördernde Baby- Bond-Gaben mit, darunter einen grünen Cocktail mit Brustnippel-Deckel und ein französisch-blaues T-Shirt mit dem Aufdruck „Ich bin das Baby von James Bond“. Das neueste und sensationellste Q-Spielzeug ist jedoch ein Telefon, welches aus der Ferne die Autotüren öffnet, den Motor anläßt und das Vehikel auch gleich beim Fahrer vorbeischickt, damit derselbe keinen Meter zu Fuß gehen muß und trotzdem mit Schwung zusteigen kann. James Bond ist älter als die Beatles. Wie seine gadgets eine technische, so macht er derzeit eine moralische Entwicklung durch, das heißt, er sieht sich – think Frauenbewegung, think Aids – gezwungen, sie durchzumachen. Beispiel: In den Sechzigern trugen Bond-Girls so unstatthafte Namen wie Honey Ryder, Pussy Galore und Domina, und 007 stürzte sich reihenweise auf sie. 1995 hießen die Damen zum Beispiel einfach Xenia Onatopp, weswegen sie auch umgebracht wurden, und das wohl zu Recht. Die Ladies von 1997 kommen völlig unverfänglich als Paris Carver oder Wai Lin daher. Ein weiteres: 1962 sang Agent 007 „Underneath The Mango Tree“, als er Honey verführen wollte, und glotzte dazu romantisch, obwohl schon Brecht das verboten hat. 1995 wedelte Bond hingegen wie ein richtiger Mann mit seinem teuren Q-Spielzeug herum und trug außerdem teurere Anzüge. Merke: Warum sollte sich ein böses Mädchen beim Fallschirmspringen oder Sex schmutzig machen, wenn es doch elegant vor der Börse aus einem Mercedes steigen könnte? Der Gipfel der unaufhaltsamen Höherentwicklung schließlich ist, daß unser James Bond dieser Tage nur noch zwei Damen zu Bette führt und das Bond-Girl tun darf, wovon es vielleicht 35 Jahre lang geträumt hat – es schlägt 007!
Es sage also keiner, daß Actionfilme etwas für Doofe seien, auch wenn sich unsereins nicht vorstellen kann, daß auch das Publikum von einem geschlagenen Bond geträumt hat. Unvorstellbar! Naht etwa eine Jamima Bond? Der neue Bond, so geht das Gerücht, sei trotz aller Entwicklung ganz der alte. Sich bei aller Veränderei dennoch treu bleiben – das nennt man einen Charakter! Mr. Q jedenfalls hat in 16 von 18 Bond- Filmen mitgespielt und kann sich Vergleiche erlauben. „Pierce is doing not too badly“, während wir in Berlin immer noch unverdrossen auf unsere Weihnachtsgaben von Steven Spielberg warten. Auf niemanden ist aber auch mehr Verlaß. Überall nichts als leere Versprechungen und Mißachtung! James Pierce Bond, wenn du schon so gern Medienkaiser aushebelst, wie in „Der Morgen stirbt nie“ zu sehen, dann rette gefälligst auch die taz! Anke Westphal
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