Westerwelle in China: "Wir haben viel Konsens erreicht"
Auch wenn er sich bei Außenminister Yang Jiechi für Menschenrechte aussprach, will Westerwelle weiter die Ein-China-Politik betreiben. Dissidenten bitten um seine Hilfe.
PEKING ap/dpa | Bundesaußenminister Guido Westerwelle hatte sich am Freitag in Peking für die Menschenrechte eingesetzt. Nach einem Treffen mit seinem chinesischen Amtskollegen Yang Jiechi sagte Westerwelle auf einer gemeinsamen Pressekonferenz, auch in der Tibet-Frage und beim Umgang mit dem Dalai Lama hätten beide Seiten ihre "unterschiedlichen Ansichten ausgetauscht". "Es ging auch um Meinungsunterschiede, die wir nicht verschweigen wollen." Ungeachtet der Differenzen wollen beide Seiten die Beziehungen ausbauen.
Das Eintreten für Menschenrechte, Minderheiten, die Presse und Meinungsfreiheit sei "ein wichtiges Anliegen deutscher Außenpolitik", hob Westerwelle bei seinem Antrittsbesuch in Peking hervor. Daran habe er "offen keinen Zweifel gelassen". Chinas Außenminister sprach von einem "sehr eingehenden Gespräch", ohne auf Westerwelle in jedem Detail einzugehen. "Wir haben auch viel Konsens erreicht."
Indirekt warnte er Westerwelle jedoch davor, den Dalai Lama zu empfangen. Yang Jiechi warf dem religiösen Oberhaupt der Tibeter vor, "mit allen Kräften die Unabhängigkeit Tibets zu betreiben". China sei entschieden gegen jeden offiziellen Kontakt anderer Länder mit dem Dalai Lama. Der Empfang des Friedens-Nobelpreisträgers durch Bundeskanzlerin Angela Merkel 2006 hatte die deutsch-chinesischen Beziehungen schwer belastet. Auch der vorige FDP-Außenminister Klaus Kinkel hatte den Dalai Lama getroffen.
Knapp zwei Jahre nach dem Aufstand in Tibet hat China nun auch einen neuen Gouverneur für die Region ernannt. Padma Choling, der 17 Jahre in der chinesischen Volksbefreiungsarmee diente, übernahm das Amt am Freitag. Auswirkungen auf die Politik dürften die Personalveränderungen nicht haben. Die tatsächliche Macht in der Region wird von der Kommunistischen Partei und deren Regionalchef Zhang Qingli ausgeübt. Zhang hat für eine strikte Kontrolle der buddhistischen Klöster sowie des politischen und gesellschaftlichen Lebens gesorgt.
Der deutsche Außenminister bekannte sich eindeutig zur "Ein-China-Politik" der Bundesregierung. Damit ist gemeint, dass Deutschland Tibet und Taiwan als Teil der Volksrepublik China betrachtet.
Westerwelle wollte bei seinen Gesprächen in Peking auch konkrete Fälle von inhaftierten chinesischen Dissidenten ansprechen. Die Ehefrauen der prominenten Bürgerrechtler Liu Xiaobo und Hu Jia baten ihn um Unterstützung. Der Ehrenvorsitzende des chinesischen Pen-Clubs unabhängiger Schriftsteller war vor drei Wochen wegen Subversion zu elf Jahren Haft verurteilt worden.
Auch Zeng Jinyan, die Frau des im April 2008 zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilten bekannten Dissidenten Hu Jia, bat Westerwelle, ein Wort für ihren Mann einzulegen. "Wenn er sich für Hu Jia einsetzen könnte, wäre ich sehr dankbar", sagte Zeng Jinyan. "Sein Gesundheitszustand ist schlecht."
Auch die Grünen forderten Westerwelle auf, sich bei seinem "Antrittsbesuch" in Peking für Bürgerrechtler und eine Verbesserung der Menschenrechtslage einzusetzen. Der parlamentarische Geschäftsführer Volker Beck teilte in einer Erklärung in Berlin mit, Westerwelle dürfe sich "nicht vor unbequemen Themen drücken" und müsse auch die "empörende" Verurteilung Liu Xiaobos ansprechen. Es stehe in China nicht nur schlecht um die Meinungs- und Informationsfreiheit. Auch religiöse und nationale Minderheiten wie Tibeter und Uiguren würden unterdrückt. Ferner seien Folter und Misshandlungen im Strafvollzug allgegenwärtig.
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