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Westdeutsche Polizei in Ost-Berlin in Aktion:Polizei drang in PDS-Zentrale ein

■ „Fünfzig Jahre Zurückhaltung sind genug“, sagte ein Polizist in der Nacht zum Freitag in der PDS-Zentrale. Unter dem Vorwand „Gefahr im Verzuge“ wurde eine Nacht-und-Nebel-Aktion organisiert. Bewußt wurde die Immunität von Abgeordneten verletzt. Eine „Panne“, sagt die Staatsanwaltschaft.

„Unsere Partei braucht das Licht der Öffentlichkeit nicht zu scheuen. Wir werden uns nicht provozieren lassen“, das erklärte das Präsidium der PDS am Freitag mittag nach der Nacht-und Nebel-Aktion in der Berliner Parteizentrale. Der Staatsanwalt, der mit -zig mit kugelsicheren Westen ausgestatteten Beamten gekommen war, habe sich mit der Bemerkung verabschiedet, das nächste Mal werde er zur Dienstzeit und allein kommen, berichtete Parteichef Gregor Gysi. Der Sachverhalt stellt sich für die PDS ganz einfach dar: Im September seien in zwei Beträgen knapp 100 Millionen Mark in die Sowjetunion überwiesen worden. Die SED, deren Vermögen und auch Verpflichtungen die PDS übernommen habe, habe nach in der SU vorliegenden Unterlagen sich an den Kosten für die Ausbildung von Studenten — insbesondere aus der Dritten Welt — und einer internationalen Bildungsstätte beteiligt. Warum das ZK solche Dinge unterschrieben habe, bemerkte Gysi etwas verärgert, wisse er auch nicht. Die PDS habe sich anfangs gesträubt, die hohe Summe zu bezahlen, letztendlich aber um des lieben Friedens willen gezahlt. Der Staatsanwalt wäre mit dem PDS-Brief in der Hand gekommen, in dem die Überweisung bei der Außenhandelsbank begründet wurde. Wenn man offiziell angefragt hätte, so Gysi, hätte man tagsüber die Auskunft bekommen, die sich der Staatsanwalt nachts unter Polizeischutz abholte. Da es nicht um Veränderungen des Parteivermögens gehe, sei er, Gysi, davon ausgegangen, daß es nicht unter die meldungspflichtigen Zahlungsvorgänge falle.

Die KPdSU habe der PDS Name und Konto der Außenhandelsfirma „Putnik“ mitgeteilt, an die die KPdSU die Forderung offenbar abgetreten habe. Er habe den Handelsregister-Auszug dieser Firma angefordert und dann überwiesen. Das Geld sei dann ein wenig um die Welt gegangen, berichtete Gysi selbst verwundert, schließlich aber in Moskau angekommen. Das gehe aus den der Staatsanwaltschaft vorliegenden Quittungen hervor.

Für Berlins Innensenator Erich Pätzold und sein östliches Pendant Stadtrat Krüger war die nächtliche Durchsuchungsaktion in Ordnung. Es sei „Gefahr im Verzuge“ gewesen, die Polizei und Staatsanwaltschaft hätten also das Recht gehabt, ohne Durchsuchungsbefehl zu handeln, meinte Pätzold. Er selbst sei kurz vor der Aktion informiert worden. Die Polizei habe in eigener Verantwortung gehandelt, er trage aber die politische Verantwortung. Zurücktreten werde er nicht, wie es PDS-Chef Gysi fordert. Pätzold zeigte sich sowohl über die Vorgänge vor Ort, als auch über die Hintergründe uninformiert. So konnte er weder Auskunft darüber geben, warum die Polizei bei Nacht- und Nebel und ohne den normalen rechtsstaatlichen Weg einzuhalten in die Parteizentrale der PDS eingefallen ist, also welche „Gefahr“ im Verzuge war. Noch wußte er Details über die Hintergründe der Vorwürfe gegen die PDS.

Die Staatsanwaltschaft erklärte gestern, es könne ausgeschlossen werden, daß die PDS das Geld habe wegschaffen wollen, um sich zu bereichern. Geprüft werde nur, ob sie es noch hätte überweisen dürfen, ohne die Genehmigung der Treuhand, der die Parteivermögen unterstellt sind, einzuholen. Ermittelt werde wegen Untreue, sagte Pätzold und bezog sich auf die Überweisungen der PDS auf Konten von sowjetischen Staatsbürgern in Norwegen und Dänemark. Je 30 und 70 Millionen seien von dem PDS-Konto überwiesen worden. Die Büros der Bundestagsabgeordneten Modrow und Gysi seien seines Wissens nach nicht durchsucht worden. Die Ermittlungsbeamten hätten sie lediglich „betreten“. Im Hause der Justizsenatorin Jutta Limbach wurde bis gestern nachmittag noch geprüft, ob in der Nacht alles mit rechtsstaatlichen Dingen zugegangen ist.

Der Immunitätsausschuß beschäftigt sich nach den Worten seines Vorsitzenden Buschbohm (CDU) bereits mit der Durchsuchung. Die Hintergründe seien derzeit noch unklar und seien auch durch die Erklärung der Staatsanwaltschaft „nicht klarer“ geworden. Angefordert werde in jedem Fall ein Bericht der Justizbehörden. Insbesondere werde geprüft, ob die Staatsanwaltschaft verpflichtet war, vorher eine Genehmigung beim Bundestag einzuholen.

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