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Archiv-Artikel

Werner Müllers neue Flamme

Mitten im Kohlestreit geht RAG-Chef Werner Müller in die Offensive: Der russische Staatsbetrieb Gazprom könne beim Essener Konzern einsteigen. Lob von Grünen und Ökonomen

VON HOLGER PAULERUND MARTIN TEIGELER

Landesregierung, Grüne und Ökonomen sind offen für die Pläne von RAG-Chef Werner Müller, den russischen Gaskonzern Gazprom am geplanten Börsengang des Essener Mischkonzerns zu beteiligen. „Das geht in Ordnung, man sollte da keine antirussischen Ressentiments schüren“, sagte der grüne NRW-Bundestagsabgeordnete und Energiepolitiker Reinhard Loske der taz. „Es ist begrüßenswert, dass sich der nationale Markt ausländischen Konzernen öffnet“, so Manuel Frondel vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen. Allerdings warnt er den RAG-Konzern davor, in der beabsichtigten Form an die Börse zu gehen. „Ein Börsengang der Einzelteile wäre ertragreicher. Andernfalls gehen mehrere Milliarden Euro verloren“, so Frondel. Die RAG will noch in diesem Frühjahr mit den Sparten Chemie, Energie und Wohnimmobilien an die Börse. Die defizitäre Deutsche Steinkohle (DSK) soll in eine Stiftung überführt werden.

„Wir sollten bereit sein, Lieferländer durch wirtschaftliche Kooperationen in das deutsche Interesse der Energiesicherheit einzubinden“, hatte Müller im Focus zu einer Gazprom-Beteiligung gesagt. Die Landesregierung hat an den Plänen nichts auszusetzen. „Sollte die RAG an die Börse gehen, hat der Konzern freie Hand“, sagte Joachim Neuser, Sprecher des Düsseldorfer Wirtschaftsministeriums. Das Land NRW will dem Börsengang allerdings nur dann zustimmen, wenn der Ausstieg aus der Steinkohle beschlossen werde und die RAG sich auf andere Sparten beschränke.

Eine Ausrichtung des RAG-Konzerns in Richtung Energie kann Frondel in Müllers Äußerungen nicht unbedingt erkennen. Das sei reine Spekulation. „Ich glaube, dass für die Pläne der gute Kontakt Werner Müllers zu Gerhard Schröder ausschlaggebend ist“, so der RWI-Forscher. Müller war zwischen 1998 und 2002 Bundeswirtschaftsminister im Kabinett Schröder. Der Ex-Kanzler ist seit 2005 im Aufsichtsrat der North European Gas Pipeline, einer Gazprom-Tochter.

Ob der Zeitplan des Börsengangs eingehalten werden kann, ist unsicher. Uneinigkeit besteht darin, ob der Bergbau über das Jahr 2018 hinaus erhalten werden soll. Für Ende Januar angesetzte Spitzengespräche in Berlin zwischen Bundesregierung, RAG, der Bergbaugewerkschaft IG BCE und den Bergbauländern NRW und Saarland sollen darüber Klarheit bringen.

Schwarz-Gelb in NRW hatte zuletzt den Druck erhöht. Die Regierungskoalition kündigte an, die Steinkohlesubventionen des Landes von 2010 an einseitig einzustellen. In diesem Jahr sind im Landeshaushalt rund 550 Millionen Euro an Steinkohlebeihilfen vorgesehen. Der Bund zahlt jährlich knapp zwei Milliarden Euro.

Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) soll seine Genossen laut Spiegel aufgefordert haben, sich einem geordneten Ausstieg nicht länger zu widersetzen. Der Bund könne die durch den angedrohten NRW-Rückzug entstandene Subventionslücke von einer halben Milliarde Euro jährlich nicht schließen. Ein Sprecher Steinbrücks wollte den Bericht nicht kommentieren.

Auch der Fraktionsvize der SPD im Düsseldorfer Landtag, Norbert Römer, hält sich zurück. „Das war ein vertrauliches Gespräch, dazu äußere ich mich nicht.“ Im Parteipräsidium sei die Position zur Erhaltung eines Sockelbergbaus noch einmal untermauert worden „und daran werden wir festhalten“, so Römer. Er erinnerte zudem daran, dass Steinbrück als NRW-Ministerpräsident die Steinkohle als „Versicherungsprämie“ bezeichnete, die er in jedem Fall gegen die „Unwägbarkeiten auf den Welt-Energiemärkten“ aufrecht erhalten wolle.

In der SPD-Bundestagsfraktion hält man ebenfalls am Sockelbergbau fest. „Falls das Steinbrücks Position sein sollte, wird er sich damit nicht durchsetzen“, sagt ein Parlamentarier aus dem Ruhrgebiet. Partei und Fraktion stünden gemeinsam mit der IG BCE hinter dem Sockelplan: „Das ist eine Sache der SPD-Identität und eine Frage der energiepolitischen Verantwortung.“