Werbung in sozialen Netzwerken: Alle Kölner, die nach Urlaub suchen
Nutzerdaten werden wertvoller – weil Werbung im Netz nur noch interessant ist, wenn sie auf die Zielgruppe zugeschnitten ist. Bald kann man sich User "kaufen".
Auf Google+ wird derzeit heiß darüber diskutiert, warum User, die ihren Klarnamen in dem neuen sozialen Netz nicht preisgeben wollen, mit dem Ausschluss aus allen Google-Diensten gedroht wird.
"Wenn man seinen normalen Namen nennt, hilft man allen Bekannten, das eigene Profil im Netz zu finden und eine Verbindung mit der richtigen Person herzustellen", heißt es dazu von einem Google-Sprecher lapidar, während Manager wie Google-Social-Media-Boss Vic Gundotra betonen, es gehe darum, eine "qualitativ hochwertigere Gemeinschaft als ein einfaches Forum" zu schaffen. Das Ideal einer High-Quality-Community also?
Was bei der ganzen Debatte bis dato kaum beachtet wird, ist eine ganz andere Frage: Warum pochen Google und Facebook überhaupt so massiv auf die Klarnamennennung? Bei Facebook fliegt man ganz offiziell raus wenn man täuscht, bei Google+ ist es ein möglicher Grund für einen Rausschmiss. Die Antwort ist simpel: Sowohl Facebook als auch Google denken an ihre Kunden. Und die sind, anders als das vielfach angenommen wird, nicht etwa die Million Nutzer, die täglich auf besagten Seiten vorbeischaut, sondern Werbetreibende. Die zahlen die Rechnung für den auf den ersten Blick kostenfreien Netzspaß – mit ihren Reklamebudgets.
Und aus diesem einst simplen Business ist ein zunehmend ausgefeilteres Geschäft geworden. So gut wie niemand will mehr einfache Banner schalten oder Textlinks kaufen. Die Firmen wollen sicherstellen, dass sie mit ihren Etats auch die Zielgruppe erreichen, die sie suchen. So ließe sich mit dem Klarnamen etwa feststellen, ob es sich bereits um einen Bestandskunden handelt.
Nicht, dass Google und Facebook Herrn Meier oder Frau Schmitt bereits "verkaufen" würden, eine derart tiefgehende Sales-Masche würde vielen aktuellen Datenschutzgesetzen widersprechen. Doch wenn man Herrn Meier und Frau Schmitt ganz leicht anonymisiert, ist das kein Problem mehr: Ein kleiner Datenschnipsel aus Zahlen und Buchstaben, das Cookie, reicht schon, solange es einzigartig ist. Legt sich in einigen Jahren dann die Angst vor den Datenriesen ein bisschen, kann man vielleicht auch mal den Klarnamen benutzen, der ist ja schon vorhanden.
Riesige Marktplätze für Nutzerdaten
Wie das Werberfachblatt "AdAge" vor einigen Wochen meldete, soll es bald riesige Marktplätze für solch anonymisierte Nutzerdaten geben. Firmen könnten dann von Websites angebotene Zielgruppenpakete erwerben. Verkauft werden die jetzt teilweise schon, etwa von Targeting-Firmen wie BlueKai oder Exelate, doch Google möchte diese laut "AdAge" auf einer eigenen, riesigen Plattform namens "DDP" zusammenbringen, was die Datenqualität noch deutlich verbessern würde.
Das ließe sich dann beispielsweise so an: "Ich hätte gerne alle Menschen, die gerade nach Urlaub in der Südsee suchen und in Köln wohnen." Websites von Verlagen, Reiseveranstaltern oder Online-Kaufhäusern könnten sich so noch den ein oder anderen Euro hinzuverdienen, denn sie würden nicht nur Werbeplätze und Produkte verkaufen, sondern auch Daten. Selbst Offline-Infos wie Zeitungsabos oder Finanzdaten über den Wohnort könnten einfließen. Bei all den Deals wird stets betont, es handele sich ja nicht mehr um "persönlich identifizierbare" Daten – der Werbetreibende sieht keine Namen, alles geht automatisch.
Noch ist die Landschaft stark fragmentiert, sagt ein Manager eines Datendienstleisters gegenüber "AdAge". Zwar halten Facebook, Google, Yahoo, Microsoft und diverse andere Portale Such- und Surf-Daten vor, doch so richtig integriert sind die noch nicht. Da sei Google doch in der Position, den Marktplatz zu stellen.
Der Konzern bestätigt die Pläne bislang nicht, es heißt, er arbeite an den verschiedensten Initiativen. Käme "DDP" zustande, dürfe es aber ein echter Marktplatz werden: Werbetreibende oder ihre Mediaagenturen geben Gebote ab und derjenige, der am meisten für die Hausfrauen in Ohio oder die Banker in New York bietet, erhält den Zuschlag. Und alles, was die wahre Identität des Nutzers und den Klarnamen trennen, sind kleine Datenschnipsel.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance