■ Werbung an Schulen nimmt ungeahnte Ausmaße an: Wo Coca-Cola ist, ist Kohle
Im Land unserer Vorbilder, Amerika, ist Werbung und Sponsoring in Schulen längst Alltag. Burger King finanziert beispielsweise den Sozialkundeunterricht, dafür werden im Klassenzimmer Fernsehspots mit dezenter Eigenwerbung zum Thema soziale Verantwortung gezeigt. Nun öffnen auch die Lehranstalten in Deutschland für Firmen ihre Pforten. Weil das von Bund und Ländern zur Verfügung gestellte Geld nicht mehr ausreicht, machen sich viele Schulen auf die Suche nach privaten Geldgebern: Von Amerika lernen heißt kassieren lernen.
Bundesweiter Vorreiter ist Berlin: Bereits 1997 entschied sich die Hauptstadt, reine Produktwerbung an Schulen zuzulassen. Schulsenatorin Ingrid Stahmer nannte die Entscheidung „einen Zugewinn an Flexibilität und innerer Souveränität“, der zudem noch voll „zeitgemäß“ sei. Die Schüler seien in ihrem Alltag sowieso ständig mit Werbung konfrontiert. Argumente, die zum Nachdenken anregen. Erhard Laube, Vorsitzender der Berliner Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, hat jetzt sein Urteil gefällt. Er lehnt den Einfluß von Konzernen auf den Unterricht ab. „Sie machen das nicht aus Liebe zu den Schülerinnen und Schülern“, mahnt Laube.
Längst haben die Firmenchefs erkannt, daß das Werben um die nächste Generation das Überleben von morgen sichert. „Schüler sind nun einmal die Kunden der Zukunft“, sagt der Chef vom Sportartikelhersteller K2. Für hessische Schulen ließ er eine ganze Lkw-Ladung Inline-Skates anrollen und durfte dafür den Lehrplan des Sportunterrichts nach seinen Interessen umschreiben.
Die knappen Mittel zwingen die Lehrer, neue Geldquellen zu erschließen und den Sponsoren entgegenzukommen. Das Sportfest wird dann nicht mehr vom Staat, sondern von Coca-Cola finanziert. Mit wachsender ökonomischer Autonomie der Pädagogen steigen auch die Möglichkeiten.
Zwei Modelle des Lehrer-Sponsorings sind denkbar: Die Pädagogen tragen, wie es bei Sportstars längst üblich ist, Firmenlogos auf ihrer Kleidung, etwa das Bayer- Kreuz im Chemieraum oder die Dekra-Mütze im Fach Arbeitslehre. Die Alternative hierzu – Lehrer lassen sich von Modeherstellern einkleiden – ist weniger rentabel, dafür tragen Studienräte erstmals ordentliche Klamotten. Mit dem Klingelzeichen erscheint auf einem Bildschirm über der Tafel der Hinweis: „Unsere Moderatoren wurden eingekleidet von Joop.“
Ohnehin stößt der Monitor die Tür zum Sponsorenparadies ganz weit auf. In den kleinen Pausen laufen Werbespots, in den großen Glücksrad. Zudem können Werbekunden einzelne Abschnitte des Unterrichts finanziell unterstützen und über den Monitor kennzeichnen: „Der Satz des Pythagoras wurde Ihnen präsentiert von Bitburger.“
Das Einzugsgebiet der Schulen garantiert meist eine homogene Sozialstruktur. Die Schüler sind deshalb besonders interessant für die Konzerne; es kann zielgruppengenau gesponsert werden. Im Villenviertel wird die Albert-Schweitzer- Schule in „Lacoste-Gymnasium“ umbenannt, viele Sportschulen schließen Verträge mit Nike ab, die übrigen Lehranstalten teilen sich Adidas, Krönung light und Rexona. Schulen in einfachen Arbeitervierteln fallen an Fila, Buffalo und Tommy Hilfiger. Und an speziellen Vierteln haben vielleicht spezielle Firmen (Smith & Wesson) Interesse.
Anfängliche Bedenken, das zügellose Werben könne die soziale Kluft zwischen den Schulen vergrößern, verdrängt die Phantasie des Marktes. Auch für Sonderschulen wird der passende Sponsor (Media-Markt) mit dem passenden Slogan („Ich bin doch nicht blöd!“) gefunden – nichts ist unmöglich. Felix Göpel
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