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Archiv-Artikel

Werbepause: Vodafone

Zu niedlicher Musik sehen wir eine Frau und ein Kind im Schnitt-Gegenschnitt-Verfahren Grimassen schneiden. Doch tun sie dies nicht live, sondern mittels „Videotelefonie“: Langsam zieht die Kamera auf, und wir sehen, wo sich die beiden befinden. Der moderne, Vaterdienst habende Ehemann hält das eine Telefon im trauten Heim vor die gemeinsame Tochter, die Businessmutti steht mit dem anderen Apparat in irgendeiner Hotellobby dieser Welt.Der Clou: Sie macht sich nicht lächerlich damit, in aller Öffentlichkeit Grimassen zu schneiden, denn sie verlagert lediglich ihr Privatleben ganz unbekümmert in den öffentlichen Raum und kann nebenbei noch demonstrieren, was für eine fantastische Mutter sie ist. Sie bekommt die Mehrfachbelastung „Familie und Job“ auf die Reihe, ist flexibel und stressresistent und kommt sogar noch ihrem pädagogischen Auftrag nach. Sie gibt die Grimassen vor, das Kind ahmt seine Mami nach. Also alles, wie es sein soll, oder?Allein das Wort „Videotelefonie“ könnte sehr zu denken geben – mindestens genauso wie die Tatsache, dass das hier demonstrierte Telefonverhalten einen weiteren Meilenstein markiert auf dem Entgrenzungsweg von haptischem unmittelbarem Erleben, Linearität und Privatsphäre. Hier wird mit Hilfe des Markts eine weiter fortschreitende Digitalisierung zwischenmenschlicher Gefühle gefördert, das verlockende Angebot unterbreitet, man könne alles haben, im Nebeneinander, ohne schmerzhafte Abstriche. Das gepixelte Abbild der Familie kann die persönliche Umarmung vielleicht noch nicht ganz ersetzen, doch zumindest beruhigt es das Gewissen so sehr, dass wir den Unterschied eines Tages kaum noch merken könnten.KIRSTEN KOHLHAW