Werbekampagne: Das Geschäft mit der Angst
Die Sparkasse bewirbt großflächig ihre Berufsunfähigkeitsversicherung – auch mit Hinweis auf Depressionen. Doch wer psychische Krankheiten offenbart, hat keine Chance.
„Ene mene meck – dein Lohn fällt weg“ – mit diesem Slogan auf großflächigen Plakaten wirbt die Sparkasse Bremen seit einigen Wochen für eine Berufsunfähigkeitsversicherung. „Jeder vierte Erwerbstätige“, so heißt es weiter, „wird im Laufe seines Berufslebens berufsunfähig.“
Vergangene Woche wurde die Sparkasse noch drängender: Sie verschickte die Botschaft per Brief und bietet an, „den Wert Ihrer Arbeitskraft auszurechnen“. Wessen Produkt die Bank damit bewirbt, steht nicht dabei. Dafür legte sie ein Faltspiel à la „Himmel und Hölle“ bei. Darin wird erklärt, dass nach der 78. Woche – also nach anderthalb Jahren – die Krankenversicherung kein Krankengeld mehr zahlt.
Und: „Gesundheit kennt kein Alter. Brustkrebs, Bandscheibenvorfälle, allergisches Asthma und Burnout können jederzeit zuschlagen – da hilft die größte Vorsicht nichts.“ So weit, so angstmachend, so konform mit den Empfehlungen der Verbraucherzentralen, auf die die Sparkasse Bremen in ihrem Brief hinweist.
Doch dann gibt es da noch einen Satz auf dem Faltspiel, mit dem die Verbraucherschützer nicht einverstanden ist: „Die paar Depressionen hindern mich schon nicht am Arbeiten“, heißt es auf der einen Seite. „Falsch!“, sagt dazu die Sparkasse Bremen auf der anderen und erklärt, warum man mit psychischen Problemen nicht mehr arbeiten kann. „So, wie das formuliert ist, könnte das jemanden, der bereits an Depressionen oder ähnlichem leidet, dazu verführen, jetzt schnell noch eine Berufsunfähigkeitsversicherung abzuschließen“, sagt Gabriele Zeugner, Versicherungsexpertin der Verbraucherzentrale.
Das Problem: Wer seine psychische Erkrankung offenbart, wird keinen Vertrag unterschreiben können. Verbraucherzentralen und unabhängige Test-Institutionen wie Finanztest und Ökotest weisen seit langem darauf hin, dass Versicherungsunternehmen Menschen ausschließen, die eine Psychotherapie machen oder bereits hinter sich haben. Das liegt daran, dass psychische Erkrankungen mittlerweile die häufigste Ursache für eine Erwerbsunfähigkeit darstellen und die Versicherer sich gegen dieses Risiko absichern wollen.
Deshalb fragen sie in ihren Antragsformularen nach, ob in der Vergangenheit eine Psychotherapie gemacht wurde. Einige wollen dies rückwirkend für die letzten fünf Jahre wissen, andere für die letzten zehn Jahre. Nach einer brancheninternen Auflistung gehört das Unternehmen, dessen Produkt die Sparkasse verkauft, zur letzten Gruppe.
Sollte jetzt jemand ohne diese Kenntnis einen Antrag über die Sparkasse stellen und dabei wahrheitsgemäß Auskunft geben über seine psychische Verfassung, so erfährt davon nicht nur die HDI Versicherung AG. Sondern alle anderen Anbieter auch, über das Hinweis und Informationssystem (HIS) der Versicherungswirtschaft, wie die Verbraucherschützerin Zeugner erklärt. „Dann prüfen die Ihren Antrag nicht mehr und lehnen ihn gleich ab.“
Die Sparkasse findet dennoch nicht, dass sie Verbraucher täuscht, indem sie suggeriert, sie könnten bei einer akuten Depression eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließen. "So eine Suggestion liegt uns fern", sagt Pressesprecherin Elke Heussler. Vor jedem Abschluss stehe ein umfassendes Beratungsgespräch. "Ziel unserer Kampagne war es in erster Linie, wachzurütteln und auf einen oft verdrängten Sachverhalt aufmerksam zu machen."
Verbraucherschützerin Zeugner. Sie rät dringend dazu, sich unabhängig beraten zu lassen, auch weil nicht jede Berufsunfähigkeitsversicherung zu jedem passe. „Es gibt unzählige Angebote und die wenigsten sind in der Lage, auch das Kleingedruckte zu verstehen.“ Vor diesem Hintergrund könne das Angebot der Sparkasse sehr verlockend erscheinen. „Dann muss man sich damit selbst nicht mehr auseinandersetzen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin