Werbeexperte über Naturschutz: "Artensterben ist zu weit weg"
Werbeexperte Paul-Werner Hildebrand fordert mehr Kampagnen für den Erhalt von Tier- und Pflanzenarten. Sonst komme das Thema in den Köpfen nicht an.
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taz: Herr Hildebrand, Sie sind Werbetexter. Sagen Sie uns doch mal einen Slogan: Biodiversität ist wichtig, weil …
Paul-Werner Hildebrand: … es Leben und Zukunft sichert.
Hört sich nicht nach einem Werbekracher an. Wir erleben das größte Massensterben seit dem Verschwinden der Dinosaurier, warum ist das so schwer unter die Leute zu bringen?
Es geht ja nicht um Waschmittelwerbung. Und es arbeiten hierzulande auch schon eine Menge Umweltgruppen in den Städten und Dörfern. Aber die Regierung hat bisher zu wenig Geld in sinnvolle, bürgernahe Kampagnen gesteckt, damit alle verstehen: Es geht nicht nur um ein paar Kröten, um eine Sache für schräge Naturliebhaber. Es geht um das Überleben des Menschen.
Exumweltminister Sigmar Gabriel von der SPD hat in seiner Amtszeit extra PR-Leute angeheuert, die sich Slogans und Anzeigen ausgedacht haben.
Sicher, aber Sie schaffen das Bewusstsein nicht von heute auf morgen. Sie kommen da auch nicht weiter mit apokalyptischen Warnungen. Denken Sie nur an die Debatte über das Waldsterben in den achtziger Jahren. Da sagen heute viele: So schlimm kann das alles nicht sein, die Bäume stehen immer noch. Das liegt zwar an den Rettungsmaßnahmen, aber das hat keiner mehr im Kopf.
Darum wurde der indische Ökonom Pavan Sukhdev beauftragt, den wirtschaftlichen Wert der Natur zu errechnen - das sollte den Naturschutz revolutionieren. Warum schaffen es seine Billionen Dollar schweren Kalkulationen nun doch nicht auf die Titelseiten?
Der Artenschwund ist nicht in den Köpfen, das Problem zu weit weg. Es funktionieren zwar Spendenaufrufe für exotische Arten wie die Pandas. Der Panda, da hat man ein Bild vor Augen. Den finden wir im Zoo kuschelig. Der guckt auch süß. Aber wie erklären Sie komplexe Ökosysteme, das können Sie nicht in drei Worte fassen. Das ist, um es in der Boulevardsprache auszudrücken, nicht sexy.
Warum war das anders, als Nicolas Stern vor drei Jahren ähnliche ökonomische Verluste durch den Klimawandel ausmachte?
Die Erderwärmung spüren Sie - zum Beispiel durch Hochwasser, Stürme und extrem heiße Sommer. Und es gab Prominente wie den ehemaligen US-Vizepräsidenten Al Gore, die auf allen Sendern für den Klimaschutz geworben haben.
Also brauchen wir einen Al Gore der Biodiversität - wer könnte das sein?
Hannes Jännicke etwa. Der ist ein bekannter Schauspieler, zeigt in Dokumentarfilmen, wie Fischer den Haien die Flossen bei lebendigem Leib abschneiden, weil sie in Asien eine Delikatesse sind. Das könnte auch Politiker wachrütteln, die bisher das Engagement der Umweltverbände zu wenig ernst nehmen.
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