FELIX LEE POLITIK VON UNTEN : Wer soll denn diese Welt regieren?
Die gescheiterte Klimakonferenz von Kopenhagen ist eine Niederlage der UNO. Zivile Kräfte müssen jetzt erst recht über neue Formen einer Weltregierung nachdenken
Kopenhagen war ein Desaster. Und zwar nicht nur, weil es bei den Klimaverhandlungen nicht zu konkreten Ergebnissen gekommen ist. Ich habe die bisher größte UN-Konferenz vor allem deswegen als Katastrophe empfunden, weil die Vereinten Nationen als Veranstalter selbst bei ganz simplen diplomatischen Gepflogenheiten versagt haben. Die UNO hat selbst dafür gesorgt, dass sie nun noch weniger ernst genommen wird. Krisenbewältigung wird ihr jetzt erst recht nicht mehr zugetraut.
Ende Oktober bin ich auf einer Veranstaltung der „Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen“ gewesen, einer Nichtregierungsorganisation, die sich für eine Stärkung der UN einsetzt. Auf dem Podium diskutierten die TeilnehmerInnen über die Frage, welche Konstellation angesichts der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise am ehesten die Welt lenken könnte und sollte. Die Podiumsteilnehmer waren sich einig: Die G 8 hat abgewirtschaftet und wird dies definitiv nicht mehr tun. Und aus zivilgesellschaftlicher Sicht könne man nur froh sein, dass das Schicksal der Welt nun nicht länger mehr allein von acht Regierungschefs bestimmt wird, die nur die Interessen der reichen Länder im Kopf haben.
Dann doch eher die G 20, die immerhin zwei Drittel der Weltbevölkerung vertritt und für 90 Prozent des Welthandels verantwortlich ist. Eine legitimierte Institution ist die G 20 aber ebenso wenig. Und Länder wie China, Russland oder Indien sind weit davon entfernt, im Interesse aller Entwicklungsländer zu reden. Im Gegenteil: Auch das hat Kopenhagen gezeigt – die Schwellenländer denken genauso bloß an sich.
Die Diskutanten plädierten für eine G 192. Und so oder so ähnlich haben trotz aller Kritik an der UN bisher die meisten zivilgesellschaftlichen Kräfte argumentiert: Die UNO ist das einzig legitimierte transnationale Gremium und muss institutionell deswegen gestärkt werden.
Nach Kopenhagen dürfte nun selbst bei den größten UN-Verfechtern Ernüchterung eingekehrt sein. Es war ja nicht nur so, dass es – wie so oft bei UN-Konferenzen – zu keinem Konsens aller Mitgliedstaaten gekommen ist. Das war vielleicht von Beginn an eine Illusion. In einer Mischung aus Arroganz, Chaos und Überforderung scheiterte die UNO als Veranstalter letztlich an ganz simplen organisatorischen Fragen und zog damit den Missmut wirklich aller in irgendeiner Weise involvierten Teilnehmer und Beobachter auf sich. Es sind daher bei weitem nicht mehr nur die Lobbyisten der reichen Industrieländer, die aus dem Desaster von Kopenhagen schlussfolgern: Die UNO hat versagt. Die Geschicke dieser Welt sollten nun erst recht auf den Schultern der G 20 ruhen. Auch mir scheint es ferner denn je, den Vereinten Nationen globales Regieren zuzutrauen.
Allerdings: Die bisherigen G-20-Gipfel und selbst die vergangenen G-8-Gipfel waren nur selten von Erfolgen gekrönt. Und es zeichnet sich jetzt schon ab, dass auch die beiden für 2010 vorgesehenen G-20-Gipfel – der eine im Juni in Kanada, der zweite im November in Südkorea – nicht wirklich zur Lösung der Weltkrisen beitragen werden.
Für zivilgesellschaftliche Kräfte, die für eine gerechtere Welt eintreten, ist es angesichts dessen umso wichtiger, über völlig neue Institutionen und Formen einer Weltregierung nachzudenken. Selbst wenn dabei herauskommen sollte, dass die Vereinten Nationen, auf die wir lange gesetzt haben, nicht mehr zu retten sind.
■ Der Autor ist taz-Redakteur für soziale Bewegungen
Foto: Wolfgang Borrs