Wer regelt das Internet?: Gehorsam im Voraus
■ Zensur-Diskussion als Vorlage für Verfechter von mehr Innerer Sicherheit
Ein Bremer Provider, der nicht rechtsextremer Positionen bezichtigt werden kann, ließ antisemitische Propaganda im Gästebuch seiner Internet-Seiten stehen, anstatt sie zu entfernen. Braucht das Internet Zensur-Regeln? Rainer Ahues ist Vorstandsmitglied des „Republikanischen Anwältinnen und Anwälte-Vereins“ in Hannover, sein Themenschwerpunkt sind die neuen Medien.
taz: Muß man im Internet aus ihrer Juristen-Sicht Grenzen setzen?
Rainer Ahues, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälte-Verein: Nach meiner Meinung reichen die allgemeinen Strafgesetze aus, um Meinungsäußerungsdelikte auch im Internet zu verfolgen.
Muß es internationale Regelung fürs Internet geben?
Natürlich wird man auf internationaler oder zwischennationaler Ebene versuchen müssen, Regelungen zu schaffen, soweit sie noch nicht existieren. Man wird sich nicht einfach darauf zurückziehen können, zu sagen, die Provider müssen dafür sorgen, daß keine strafbaren Inhalte transportiert werden. Dann hätten wir kein Internet, sondern ein Polizeinetz – das wäre fürchterlich. Grundsätzlich bin ich der Auffassung, daß Zensur von Übel ist. Ich bin für die freie Rede, in welchem Medium auch immer. Gibt es im Medium Internet irgendwelche Besonderheiten? Es gibt eine Trias von Argumenten gegen das Internet: braune Soße, Kinderpornographie und organisierte Kriminalität. Vor allem letzteres wird aber ausgenutzt: Die Verfechter einer Politik der Inneren Sicherheit suchen sich so Argumente, um an dieses noch wenig kontrollierte Medium heranzukommen.
Aber muß es nicht dennoch eine Diskussion geben, was man im Internet haben will?
Die Diskussion ist notwendig. Aber ich bin betrübt über die Art der Diskussion und die Lösungsvorschläge in Deutschland. Nehmen sie den vorauseilenden Gehorsam im Falle von Angela Marquardt, die die Zeitschrift „radikal“ im Internet zugänglich gemacht haben soll: Einige Provider haben lediglich auf Aufforderung der Generalbundesanwaltschaft freiwillig die Zugänge zu dem niederländischen Provider abgeschaltet, auf dem die radikal-Seite zu finden war. So erhält man keine Freiheitsrechte, meine ich.
Wie ist das im konkreten Fall hier in Bremen: Der antisemitische Text, der bei dem Bremer Provider abrufbar war, stellt doch wahrscheinlich einen Straftatbestand nach deutschen Gesetzen dar?
Es ist ganz klar, daß es Grenzen der freien Meinungsäußerung gibt. Das steht schon in der Verfassung so drin, dafür muß nicht der Medienstaatsvertrag zitiert werden. Wenn das strafbar sein sollte, was im Internet stand, dann muß die Staatsanwaltschaft ermitteln und herausfinden, wer verantwortlich war.
Wer wäre denn in dem Fall der Verantwortliche? Derjenige, der antisemitische Propaganda schreibt, oder derjenige, der die Propaganda im Internet veröffentlicht?
Das ist die große Frage. Teilweise hat man mit dem Teledienstgesetz versucht, verantwortlichkeiten zu benennen. Dort steht ja zum Beispiel, daß ein Provider etwas aus dem Netz entfernen muß, wenn er darauf hingewiesen wird, daß eine Sache vielleicht nicht ganz astrein ist. Die gesamte Konstruktion ist aber eine heikle Geschichte, weil hier die Provider zu Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft werden sollen. Ein Teil der deutschen Provider hat an diesem Teledienstgesetz mitgearbeitet. Indem sie sich freiwillig dieser Selbstkontrolle unterworfen haben, haben sie natürlich gehofft, daß der Überwachungs-, Kontroll- und Straf-Kelch an ihnen vorbeizieht. Das CompuServe- Urteil aus München ist als Scheitern dieser Unterwerfungspolitik zu werten. Fragen: Christoph Dowe
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