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Wer putzt das siebentorige Theben

Premiere mit Regisseurinnen und Hauptdarstellerinnen im Zeise-Kino: Judith Keil und Antje Kruska zeigen in ihrem Dokumentarfilm „Der Glanz von Berlin“ drei der Frauen, die dahinter stecken

Am perfektesten machen sie ihren Job, wenn ihn niemand bemerkt: die vielen Putzfrauen und Putzmänner der Republik. Niemand sieht sie zu nachtschlafender Zeit kilometerlang Böden, Regale, Vitrinen feudeln, moppen oder polieren. Auffällig werden sie erst, wenn etwas nicht ordentlich sauber ist. Eine gute Zugehfrau die, der man den Wohnungsschlüssel in die Hand drückt, und beim Heimkommen ist alles picobello. Offizielle Begegnungen von Putzleuten und Nicht-Putzleuten sind rar.

Vielleicht schämen sich die einen ein bisschen für den Dreck, den sie machen und die anderen für den Dreck, den sie wegmachen. So mutmaßt zumindest Delia Pereira-López, eine von drei putzenden Berlinerinnen, die in Der Glanz von Berlin porträtiert sind. Als einer ihrer Kunden, der Herr aus dem Internetkomitee der CDU, bedauert, dass Delia seiner Einladung zur Geburtstagsfeier noch nie gefolgt sei und er sie doch sonst kaum sehe, da trennt sie fein säuberlich zwischen Arbeitsverhältnis einerseits, Bekanntschaft andererseits. Im zitty-Interview sagt sie warum: „In Deutschland lautet die erste Frage: ‚Wie heißt du?‘, die zweite ‚Was machst du?‘. Wenn ich richtig provozieren will, sage ich: ‚Ich bin Putzfrau.‘ Und wenn ich nicht provozieren will: ‚Ich arbeite als Putzfrau.‘“

Neben Delia haben die beiden Filmemacherinnen Judith Keil und Antje Kruska in ihrem Dokumentarfilm zwei weitere Frauen porträtiert: Gisela „Weißi“ Weiß und Ingeborg Martinsson.

Putzfrauen ohne Kamerascheu zu finden war nicht leicht, berichten die Regisseurinnen. Die drei Ausnahmen sind – jede auf ihre Weise – talentierte Selbstdarstellerinnen. Die elegante Ingeborg besitzt eine brauchbare Singstimme, engagiert sich ehrenamtlich im Liederkränzchen eines Seniorenheims, putzt gegen Bares und sucht nach drei gescheiterten Ehen misstrauisch nach einem neuen Partner. Gisela ist lustige Alleinunterhalterin ihrer Profikolonne. Sie putzt eigentlich ganz gern, denn sie mag, wenn es glänzt. Dann wischt sie auch die Innenseite der Vitrine, obwohl der Kunde dafür nicht zahlt.

Viel weniger Selbstbewusstsein scheint dagegen Delia zu haben, die als junge Argentinierin mit Hippieträumen früher durch Europa tingelte, „irgendwas mit Kunst machen wollte“ und sich heute von ihrem Therapeuten fragen lassen muss, warum sie nicht stolz sein möchte, eine gute Putzfrau zu sein. Sie rollt viel mit den Augen, blickt kaum in die Kamera, malt im Abendkurs schlechte Bilder und weint, wenn sie über Liebe spricht.

Eher beiläufig behandelt Der Glanz von Berlin die alltäglichen und sonderlichen Begebenheiten, die Putzjobs nun mal mit sich bringen. Eine „tolerante Haushaltshilfe“ wird gesucht, Ingeborg ruft an. Ob sie bereit sei, nackt zu putzen – die Frage kennt sie bereits. Hier soll sie bekleidet eine Nudistenwohnung auf Vordermann bringen, das ist mal was Neues. Andernorts reibt Delia schnell noch die Atelierfenster trocken, bevor sie mit der Malerin deren symbolistische Werke diskutieren muss.

Der Film bedient keine Underdogromantik, erhebt auch keine Anklage im Namen vermeintlich zu kurz Gekommener, sondern nimmt zunehmend das private Leben seiner Darstellerinnen in den Blick. Hier beweisen Keil und Kruska eine selten gesehene Sensibilität, man kann förmlich zuschauen, wie die drei Frauen im Fortgang der Dreharbeiten Vertrauen schöpfen und Souveränität gewinnen, je inniger sie ihre Unzulänglichkeiten, gescheiterten Sehnsüchte und ihre Empfindungen preisgeben. Nur die Liebe zählt? Irgendwie ja, aber, wie Ingeborgs Bekannte weiß: Das Glück kommt immer von hinten. URS RICHTER

Premiere: Mo, 20 Uhr, Zeise; der Film startet am 16.5.

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