: Wer macht den Meister?
Mit dem 0:6 gegen Werder Bremen sorgt der HSV wenigstens einmal in dieser Saison bundesweit für Schlagzeilen. Die taz sagt danke
von OKE GÖTTLICH
„... Ha-Ha-Ha, HSV!“ Ein wenig abgewandelt, eigentlich ja „Wer wird deutscher Meister?“ usw., ergibt dieser Gassenhauer der HSV-Fans endlich wieder Sinn. Ziemlich genau elf Jahre ist es nun her, dass Werder Bremen sich mit einem vorentscheidenden Erfolg gegen den HSV die dritte deutsche Meisterschaft erspielen konnte. 5:0 gewann Werder damals, und der HSV wurde erstmals als Meistermacher gefeiert – der größte Erfolg seit dem letzten eigenen Meistertitel von 1983. Die Hamburger hatten mit Niels Bahr einen Neuling zwischen die Pfosten gestellt und verhalfen den Bremern aktiv zur Schale. Eine großmütige Geste des Liga-Sauriers, der in längst vergangenen Zeiten Titel erspielt hatte, die man nun anderen gönnte.
Am Samstag trat der HSV nun erneut als großer Gönner in Erscheinung. Wieder sollte mit Tom Starke überraschend ein Torwart in Erscheinung treten, der, mit gerade mal 37 Bundesliga-Minuten beladen, den Ailtons, Klasnics dieses Nordens Angst machen sollte. Starke tat seine Pflicht und reagierte beim 2:0 Werders ein wenig zu spät und verpasste dass von Ismael getretene Leder nicht ganz unschuldig. Inspiriert von der riesigen Choreographie der Werder-Anhänger, „Wer glaubt an Spuk und Geister? – Werder, deutscher Meister!“, wirkte Starke wie verhext, als Valdes aus ganz spitzem Winkel das Leder noch über die Linie brachte. Eigentlich wollten sich die Werder-Fans mit ihrem Transparent vor den Äußerungen der Bayern schützen, die unter der Woche versuchten, den Bremern Nervosität in der entscheidenden Phase der Meisterschaft einzureden. Stattdessen beschworen sie allerdings die Geister aus dem Jahr 1993, als, wie erwähnt, ein überforderter HSV-Torwart Werder die Meisterschaft schenkte. Danke, Niels. Danke, Tom.
Dass es diesmal allerdings sechs Tore wurden, verdankt Fußballdeutschland der, wahrlich, dankenswertesten Szene des Spiels: In der 16. Minute übernahm HSV-Kapitän Sergej Barbarez die Initiative und haute den Ball nach einer Micoud-Ecke mit einem Kopfball-Aufsetzer in das eigene Netz. Danach wussten alle HSV-Spieler, wo der Ball in diesem Spiel reingehört: ins eigene Netz. Danke, Sergej.
Richtig feierlich wurde es dann nach dem Schlusspfiff. Werder-Trainer Thomas Schaaf lud zu seiner 43. Geburtstagsparty und lud den ehrenwerten Gast selbstverständlich ebenfalls ein. HSV-Manager Dietmar Beiersdorfer, 1993 übrigens Werder-Spieler, wird das eine oder andere Bier mit dem kommenden Meistertrainer Schaaf gezischt haben. Sagte er doch noch vor dem Spiel: „Wir spielen für uns, holen einen Punkt, und Werder wird Meister.“ In letzterem sollte er Recht behalten. Danke, Dietmar.
Einzig HSV-Coach Klaus Toppmöller wollte wohl den obligatorischen Jammerkloß mimen, als er sagte, dies sei ein schlimmerer Tag für ihn gewesen als der Rauswurf bei Bayer Leverkusen. Toppi, tröste dich. Wir danken dir für diese hervorhebenswerte Leistung deines Teams. 1.000 Dank.
Fehlen irgendwie nur noch die Bayern. Sie schimpfen. „Sauerei, Schiebung, Wettbewerbsverzerrung“. Die Bild berichtet von angeschwollenen Zornesadern und einer charakterlosen Vorstellung, über die sich ganz Fußball-Deutschland empöre. Da selbst der HSV inzwischen gemerkt hat, dass man immer das Gegenteil dessen Glauben muss, was in der Bild steht, kann man zufrieden auf das Wochenende zurückblicken. Danke, HSV. Eine Unzulänglichkeit muss in deinem Spiel aber doch kritisiert werden: Wie weit unten muss man sein, um selbst Spiele, die man aus gutem Grund herschenkt, auch noch so zu verlieren, dass es jedem auffällt? Etwas mehr Diskretion wäre angebracht.
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