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Wer lügt, kommt weiter und frei

■ Verfahren wegen Körperverletzung gegen grünuniformierte Steinewerfer wurde rücksichtsvollerweise eingestellt

Darmstadt (taz) - Es ist nicht neu, daß angeklagte Polizisten vor Gerichten meist recht glimpflich davonkommen. Neu war allerdings die Begründung, mit der die Staatsanwaltschaft Darmstadt gestern die Einstellung eines Strafverfahrens wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung gegen zwei Polizeibeamte beantragte: „Schon in der ersten Instanz wurde aus kollegialer Solidarität so gelogen, daß sich die Balken bogen.“ Weiterhin hielt es der Staatsanwalt „nicht für gut, wenn vor Gericht Polizisten erscheinen, nur um zu lügen“. Den Beamten wird vorgeworfen, vor fünf Jahren während der Auseinandersetzungen um die Startbahn–West Demonstranten und einen Fotografen mit Steinen beworfen zu haben. In erster Instanz wurden die beiden im vergangenen Jahr zu Geldstrafen verurteilt, legten aber Widerspruch ein. Gestern wurde in zweiter Instanz verhandelt. Nachdem sich der Vorsitzende, Richter Jäger, gleich aus der Deckung wagte und das Verfahren einstellen wollte, „weil die Sache schon fünf Jahre zurückliegt“ und „sowieso niemand damit geholfen“ sei, setzte auch der Vertreter der Staatsanwaltschaft mit seinem Vorschlag nach. Lediglich von der Nebenklage, dem beworfenen Fotografen, wurde eine Einstellung des Verfahrens abgelehnt. Es sei zwar sehr „honorig“, wenn der Staatsanwalt „Polizisten nicht lügen lassen will“. Es ginge aber nicht an, „daß eine von Polizisten begangene Straftat nicht bewertet wird, nur weil neue Straftaten in Form von Meineiden verhindert werden sollen“. Die Vertretung der Angeklagten stimmte einer Einstellung zu, versuchte aber, noch das Bußgeld in eine „leichte Höhe“ zu bringen, da die Angeklagten durch Beförderungsstopp „schon genug Nachteile“ hätten. Nach einer Beratung des Gerichts und einiger Nebenverhandlungen auf den Fluren wurde das Verfahren eingestellt, und die Geldstrafen wurden in Bußgelder umgewandelt. Der Staatsanwalt zu einem der Angeklagten: „Je schneller Sie zahlen, desto eher werden Sie befördert.“ Ralf Volk

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