: Wer ist schuld am grünen Scheitern?
■ betr.: "Gerechte Strafe", Kommentar von Walter Jakobs, taz vom 4.12.90
betr.: „Gerechte Strafe“, Kommentar von Walter Jakobs,
taz vom 4.12.90
In der Wahlanalyse der taz ist die „Schuldfrage“ des Scheiterns der Grünen/West an der Fünfprozenthürde schnell geklärt: die „linksgrüne ideologische Blindheit“ hat blockiert, was sonst?
Nun, so macht man es sich einfach: Das Scheitern von Rot-Grün an der fehlenden gesellschaftlichen Unterstützung — ganz getreu dem Momper-Stil — der Widerborstigkeit und Streitlustigkeit der Linken in Grünen/AL in die Schuhe geschoben. Schließlich hätte die Anpassung der AL an den Beton- und „Law-and- Order“-Kurs der SPD (CDU?) dem gesellschaftlichen Mainstream besser gefallen als die schwierige, aber notwendige Beschäftigung mit einem ernsthaften ökologischen und emanzipativen Umbau der Stadt.
Das aktuelle Scheitern von Rot- Grün kann allerdings keineswegs eine Neuauflage fundamentaloppositioneller Strategien bedeuten, denn diese scheiterten schon in den Siebziger, Anfang der achtziger Jahre. Vielmehr müssen für die — nach wie vor akutelle — Aufgabenstellung der Grünen, gegen das Politik-Management des Status quo einen ökologischen und emanzipativen Kurswechsel zu formulieren, die tragenden gesellschaftlichen Potentiale gefunden werden. Erst wenn die Grünen ihre gesellschaftliche Relevanz neu beweisen können, ist über parlamentarisches Handeln auch wieder ein — dann eventuell mehrheitsfähiges — Reformbündnis herstellbar.
Eine Einengung des grünen Problemkataloges im Sinne einer „ökologischen Bürgerrechtspartei“ (Antje Vollmer) würde durch die Absage an die Verknüpfung ökologischer mit linken/emanzipativen Inhalten Zukunftschancen für die Grünen verringern. Eine Kriegserklärung gegen links ist genauso unproduktiv wie die inhaltsleere Linksidentität der PDS jenseits der zentralen ökologischen Problemstellung.
Auch das Aufbauen grüner „Persönlichkeiten“, um dem Medienstarbedürfnis der — anscheinend entpolitisierten — Öffentlichkeit zu entsprechen, ist nicht geeignet, gesellschaftlich-tiefgreifendes Verständnis für grüne Politik herzustellen. Rüdiger Brandt, Berlin
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