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Next Stop NaganoWer ist Butch Cassidy?

■ Die US-Frauen holen sich Eishockey-Gold, offenbaren aber Defizite in Filmgeschichte

Ben Smith liebt es anschaulich. Eine taktische Variante versuchte der Coach der US- amerikanischen Eishockeyfrauen seinen Spielerinnen anhand eines Feuergefechts aus „Butch Cassidy und Sundance Kid“ zu erklären. Bis er an den verständnislosen Mienen bemerkte, daß er mit einer anderen Generation redet. Niemand hatte den Film gesehen.

Welche Bedeutung ein möglicher Olympiasieg für sein Team habe, erläuterte er zu Beginn des Turniers mit einem Zitat des Baseballspielers Willie Mays: „Ich denke nicht an Siege, sondern daran, den verdammten Ball im Outfield zu erwischen.“ Und das Verhältnis zu den kanadischen Konkurrentinnen charakterisierte er als „wahrhaftiges Tauziehen“.

Wobei er kräftig an der einen Seite des Taus mitzog. Während eines Turniers in Ottawa schickte er sogar eine Spielerin nach Hause, weil sie in ihrem Zimmer mit einer kanadischen Kollegin ferngesehen hatte. Auf dem Eis beharken sich die beiden weltbesten Frauenteams seit Monaten nach Kräften, zuletzt am Montag in ihrem bedeutungslosen Gruppenspiel – beide standen schon für das Finale fest. „Da muß wohl ein Team die Kontrolle verloren haben“, kommentierte Kanadas Coach Shannon Miller die Flut von Strafzeiten, und es war klar, daß sie nicht ihre Leute meinte, die mit 4:7 verloren. „Wir sind uns nicht unbedingt sympathisch“, gab aber auch Hayley Wickenheiser aus Calgary zu.

13 Partien hatten die Teams im Vorfeld von Olympia ausgetragen, den USA scheint die Mammutserie besser bekommen zu sein. Die letzten Matches haben sie alle gewonnen, gestern mit 3:1 auch das wichtigste: das olympische Finale. In den ersten beiden Dritteln wirkte das Team um Starspielerin Cammi Granato wacher, agiler und vor allem torgefährlicher. Ihre Stürmerinnen, das hatte Miller schon vorher gesagt, bräuchten einfach zu viele Chancen. Gestern konnten sie auch aus Überzahlsituationen kein Kapital schlagen.

Anders die USA, die in dem rasanten und spannenden Match zwei schöne Powerplay- Tore schossen, bevor Kanada erst in der 56. Minute den Anschlußtreffer schaffte. „Ich wünschte, wir hätten eher getroffen“, sagte Miller, „das hätte vielleicht die Pforten geöffnet.“ So aber reichte es trotz geballter Angriffswucht in der Schlußphase nicht mehr, und als Torhüterin Manon Rheaume eine Minute vor Schluß ihr Gehäuse für eine weitere Stürmerin verließ, kassierte Kanada den entscheidenden Treffer ins verwaiste Tor.

„Es ist ein Gefühl der Leere, wenn man eine so lange Reise hinter sich hat, um Gold zu holen und es nicht schafft“, sagte die kanadische Trainerin später. Anders als ihr Team, das bei der Siegerehrung völlig untröstlich war, habe sie die Enttäuschung jedoch schon überwunden, als Cammi Granato die Goldmedaille umgehängt bekam. „Zu sehen, wie eine Frau olympisches Eishockeygold erhält, hat mich unglaublich gefreut.“ Vom Auftritt in Nagano erhofft sich Miller „einen weltweiten Schub für das Frauenhockey“ und ist sich darin sogar mit Ben Smith einig. „Wir haben gezeigt“, schwärmte dieser, „daß Eishockey ein wundervoller Sport für Mädchen ist.“ Selbst wenn sie Butch Cassidy und Sundance Kid nicht kennen.

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Nicht schlecht staunten Olympiabesucher, die am Sonntag vormittag Ferngespräche führen wollten. Nicht nur Nagano, sondern ganz Japan war zu dieser Zeit zumindest telefonisch von der Außenwelt abgeschnitten. Der Grund für den Zusammenbruch: der Vorverkauf für eine Tournee der populären japanischen Rockband GLAY hatte begonnen, und die vielen Anrufe bei den 16 Nummern verwirrten die Computer so, daß sie nur noch Ortsgespräche zuließen. Matti

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