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■ Wer darf mit wem in den Medien über was redenSo machen's die Profis

„Ich danke Ihnen für diese Frage“, gibt Franz Schönhuber ansatzlos zurück, „... und freue mich, das einmal klarstellen zu können.“ Der Frager hatte die Frage eigentlich sturzkritisch gemeint, sieht sich aber handstreichartig an die Wand geschmust. Und dilettiert entsprechend panisch mit dem Verzweiflungskonter „... ich hatte es aber gar nicht nett gemeint ...“ So was verwandelt der braune Franz dann routiniert: „Ich weiß, daß wir in den Medien nicht nett behandelt werden. Vielleicht darf ich trotzdem antworten?“

In den Arm nehmen, um auf den Arm zu nehmen – und von dort runterplumpsen zu lassen: ein glattes drei zu null für den Altmeister, bevor auch nur ein inhaltliches Argument ausgetauscht wird. So macht's der Profi. Abgeschaut und draufgeschafft in Jahren, die er mit der Stammtisch-Show „Jetzt red' I“ durch Bayern tingelte, für den Bayerischen Rundfunk, dessen Rentenempfänger er heute ist. Es gibt bessere Argumente für die Rundfunkgebühr als dieses.

Helmut Kohl kann so etwas jovialer: „Es ist doch gar keine Frage, daß ...“; Hans-Jochen Vogel aggressiver: „Die Frage ist Unsinn, Sie haben Ihre Hausaufgaben nicht gemacht.“ Kinkel liberaler: „Wir haben viele wichtige Fragen erörtert, und es würde jetzt zu weit gehen ...“ Die Neigung jedoch, Kohl-, Vogel- oder Kinkel-Interviews im voraus davon abhängig zu machen, ob man ihnen gewachsen sei, ist deutlich geringer. Mit einer Darbietung, die recht wesentlich daraus bestand, daß man Kohl nicht gewachsen war, hat RTL soeben einen Quotenrekord eingefahren. Seither streuen Mitarbeiter des Senders erfreut, das „Kanzleramt hat RTL entdeckt“. Und Sat-1-Türsteher Mertes räumt ein, er wisse noch nicht, wie oft er sich im Wahljahr Fragen zu Kohls Antworten ausdenken werde.

Daß Kohl und Kirch den Sender politisch durchgeboxt haben, gelang so eindrucksvoll wuchtig, daß die jämmerliche Coverversion der Sozis als Thema origineller scheint: das Vox-Desaster trifft eine Handvoll der besseren Fernsehjournalisten – und Kirch: Auch ohne Zuschauer muß Bertelsmann dem Marktbeherrscher seine Filme bezahlen. „Medienpolitik – ist heute: Standortpolitik“, faßt SPD-Experte Glotz das Köln-Düsseldorfer Nullvoxtum resigniert zusammen.

Das seltsam antiquierte Spitzenpersonal der deutschen Rechten scheint, schon aus Altersgründen, biologisch abbaubar. Kommt danach ein deutscher Haider, so kann er vermögende Freunde im Kommerziellen und Parteifreunde im Öffentlich-Rechtlichen bündeln — und mit dieser Machtfülle auch die als Partei getarnte Drückerkolonne des Dr. Frey als Buchclub der Untoten verblassen lassen. Italiens Wahlsieger und Faschisten-Koalitionär Berlusconi ist in Deutschland längst auf Sendung: Das „Deutsche Sport-Fernsehen“ gehört ihm zu 33,5 Prozent, der Rest: Springer und Kirch. Der nächste Marsch auf die Feldherrenhalle führt über die Lindenstraße, die Rechte hat die Rechte.

Die gegenwärtige Diskussion darüber, ob man „mit den Rechten reden“ dürfe, bleibt Flickwerk ohne die grundsätzlichere Frage, wer in deutschen Medien mit wem über was reden darf.

Vergeigt ein Journalist im Interview etwa gegen einen amtlich Unbedenklichen, ist das peinlich, wird aber per Marktanteil oder Gremienbeschluß für „immerhin informativ“ erklärt. Vergeigt er genau so gegen einen „Radikalen“, dann ist das entehrend und mit Sicherheit karriereschädlich. Politiker, denen bisher auch der demütigste Stichwortgeber nicht unangenehm war, sehen beim Rep- Chef die Not plötzlich groß: Die Mikrofonhalter, die sie riefen, werden sie nicht so einfach wieder los. Demagogen nur unter steter Beigabe höherer Dosen Leggewie durch die Talkshows zu reichen wird der Professor schon aus Termingründen ablehnen müssen.

Hinter die Bequemlichkeit einer journalistischen Fünfprozenthürde kann man sich dieses Jahr auch nicht mehr zurückziehen. Der Wähler, ein enger Verwandter des Zuschauers, droht soeben, die liberale Show abzusetzen und den Rechtsextremen Sendeplätze freizuschaufeln. Medienauftrag ist nicht, die Realität so zu schildern, wie man sie toll fände. Stellt sich also am Beispiel der Hetzer heraus, daß unser Medienschaffen nicht taugt, Dümmstes, Haarsträubendstes, Menschenverachtendes als solches zu entlarven – dann stimmt das Medienschaffen nicht.

Die ellenlange Debatte über Bonengels Althans-Film verdeutlicht bereits: Die Justiz verschläft komplett, daß der smarte Faschist im Film die Auschwitz-Lüge in Tateinheit mit Rassenhaß verkündet – das ist auch nach dem heuchlerischen BGH-Urteil strafbar. Staatsanwälte, die früher jeden Amateurfilm vom AKW-Bauzaun beschlagnahmten, lesen in diesem Fall nicht mal Zeitung und verletzen so ihre Pflichten. Zum anderen fällt es schwer, ein Portrait journalistisch gelungen zu finden, das sich sensibel-beobachtend gibt – und nicht bemerkt: der sensibel Beobachtete ist – schwul. Und wäre unter den ersten Opfern seiner reichlich wirren Lehren.

Der idealistische Ansatz, schon deshalb eher Gespräch als Ausgrenzung zu versuchen, weil wir Urteile statt Vorurteile brauchen, ist also nicht naiv und wehrlos. Es gibt juristische Grenzen, deren Einhaltung zu fordern ist; es gibt Besseres als Schönwetter-Journalismus, der sich in seine Gegenstände verliebt oder sicherheitshalber gleich in sich selbst.

Die den Rechtsradikalen geltende Forderung „Wenn ihr sie interviewt, müßt ihr sie auch entlarven“, ist tendenziell in Ordnung – nur eben: gilt nicht exklusiv für Rechte oder Radikale oder beide. Gleiches Recht für alle ist nur dann gefährlich und auch moralisch mies, wenn es gleich zahnlosen Umgang mit allen zum Ergebnis hätte. Von Jenningers behutsamer Einfühlung in den Judenhaß bis zum geplanten „Überfremdungs“- Wahlkampf der CSU fängt das Problem in der selbsternannten Mitte an. Ob Heimatdurchtriebene den Wiederanschluß Schlesiens – oder Botho Strauß den Wiederanschluß an die Tiefenerinnerung fordert, ist vor allem ein Unterschied der Abstraktionsebene. Die mythologisch verschwurbelte Version ist Spiegel- kompatibel, die offene nicht sendefähig. Dabei ist es gerade der Mythos, die Sehnsucht nach dem Ende des Denkens und dem Anfang des schlichten Seins, des Deutschseins, des Volkseins – die so sehr lockt. Der Demokrat aber hat nur gesunden Zweifel, auch an sich selbst, auch wenn's weh tut.

Denn daß wir, die Guten, die Bösen vorladen müssen, um sie zu entlarven – oder daß wir Gute gerade das nicht dürfen, um den Bösen kein Forum zu bieten, ist ein Streit um Henne oder Ei. Wer sich für von Hause aus im Recht betrachtet und es deshalb Gegnern verwehrt – hat sich den eigenen Mythos schon gebacken. Friedrich Küppersbusch

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